Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Bezirk will Urban Aykal möglichst viele Menschen mitnehmen.
Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Bezirk will Urban Aykal möglichst viele Menschen mitnehmen.

Die Verkehrspolitik bezeichnet Urban Aykal, seit Dezember Stadtrat für Ordnung, Umwelt- und Naturschutz, Straßen und Grünflächen in Steglitz-Zehlendorf, als seinen Fokus. Im Interview beschreibt der Grünen-Politiker, wie er die Verkehrswende in Berlins Südwesten vorantreiben will.


Berliner Abendblatt: Herr Aykal, sind Sie heute Morgen gut zur Arbeit gekommen?

Urban Aykal: Ich wohne in Steglitz nahe einem S-Bahnhof. Mit der S1 komme ich sehr bequem zum Rathaus Zehlendorf.

 

Welche Verkehrsprobleme sind Ihnen auf dem Weg zur S-Bahn aufgefallen?

Steglitz hat den Charakter eines klassisches Innenstadtquartiers. Dort geht es um mehr Schulwegsicherheit und Verkehrsberuhigung. Um mehr Raum für Begegnungen. Darum, dass eine Fahrradstraße dieser Bezeichnung gerecht wird, Radfahrer also wirklich Vorrang haben. Das zeigt das Beispiel der Fahrradstraße in der Lauenburger Straße und Sedanstraße.

 

Ihr Amtsbereich Ordnung, Umwelt- und Naturschutz, Straßen und Grünflächen wurde neu zusammengestellt. Für die Planung und den Bau von Straßen war vormals Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne) zuständig, der öffentliche Nahverkehr entfiel auf Michael Karnetzki (SPD), nunmehr Stadtentwicklungsstadtrat. Was wollen Sie besser machen als Ihre Vorgänger?

Dieser Zuschnitt von Zuständigkeiten ist für mich von zentraler Bedeutung, um bei den Themen Verkehrswende und Klimaneutralität voranzukommen. Es geht nicht darum, was ich besser machen möchte. Mein Vorteil ist, dass ich als persönlicher Referent von Monika Herrmann, der früheren Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, wichtige Erfahrungen in verkehrspolitischen Dingen gesammelt habe. Weil ich während dieser Zeit weiterhin in Steglitz gelebt habe, habe ich Innenstadtkieze und Außenbezirke gleichermaßen im Blick. Mir liegt vor allem die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs am Herzen.

 

Wo zum Beispiel?

Früher gab es die Buslinie 211 von Zehlendorf bis zur Breisgauer Straße. Sie wurde gestrichen, die Buslinie 112 hat Teile ihres Linienverlaufes übernommen und fährt seitdem nicht mehr durch die Matterhornstraße. Die Hauptargumentation war, dass sie ohnehin parallel zur S-Bahntrasse verlief. Das ist absurd. Der Abstand zwischen S-Bahnhöfen ist viel größer als zwischen Bushaltestellen. Gerade für ältere Menschen ist das eine Zumutung.

Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Bezirk will Urban Aykal möglichst viele Menschen mitnehmen.
U-Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz: Urban Aykal fordert eine Expressbuslinie nach Lankwitz. Bild: IMAGO/Joko

Ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Linie wieder eingerichtet wird. Außerdem brauchen wir eine Expressbuslinie vom U-Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz nach Lankwitz, um diese Region besser an die City West anzubinden. Ich denke die Verkehrswende aus Sicht der Schwächsten und möchte sie so auch gestalten. Menschen, die eingeschränkt mobil sind, sollen besser von A nach B kommen. Dazu werden auch die Verlängerung der U3 zum Mexikoplatz und der neue S-Bahnhof am Kamenzer Damm beitragen.

 

„Mein Auftrag ist es, alle wachzurütteln“

 

Man hat den Eindruck, der Bezirk Steglitz-Zehlendorf habe die Verkehrswende bislang verschlafen. Wie wollen Sie ihr Leben einhauchen?

Diesen Eindruck haben viele Menschen. Mein Auftrag ist es, alle wachzurütteln. Mit den Kolleginnen und Kollegen in den Ämtern führe ich intensive Gespräche. Es geht darum, ein gemeinsames Verständnis für die Verkehrswende zu entwickeln. Ich habe den Willen, sie auf den Weg zu bringen und Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität zu erreichen. Die Grünen im Bezirk sind bei diesem Thema seit rund 25 Jahren aktiv. Durch die Ampel-Zählgemeinschaft und die Tatsache einer grünen Bezirksbürgermeisterin ist der Handlungsspielraum größer denn je. Mobilitätswende heißt für mich auch, den öffentlichen Raum bedarfsgerecht aufzuteilen.

 

Der Blick auf die Straßen legt nahe, dass es einen hohen Raumbedarf für Autos gibt.

Der Bedarf für den Autoverkehr ist da. Das darf aber nicht auf Kauf Kosten des Rad- und Fußverkehrs gehen. Wenn Menschen nicht aufs Rad steigen, weil ihnen sichere Radwege fehlen, müssen wir etwas tun.

Das zeigen die Beispiele Albrechtstraße und Steglitzer Damm. Entlang der Strecke zwischen U-Bahnhof Rathaus Steglitz und S-Bahnhof Südende gibt es im nahen Umfeld acht Schulen mit Tausenden Schulkindern. Auf dem Abschnitt vom Rathaus Steglitz zur Bismarckstraße gibt es keinen Radweg. Also nutzt niemand von den jungen Leuten das Rad. Die Erfahrung zeigt: Sind Radwege da, werden sie auch genutzt. Wir müssen uns die Verkehrsbedarfe in den Ortsteilen genau ansehen.

 

„Wir haben hier keine Oranienstraße“

 

Welche Herzensprojekte haben Sie bei der Verkehrswende? Was wollen Sie zeitnah umsetzen?

Vieles können wir als Bezirk nur anstoßen und müssen uns dann eng mit dem Senat abstimmen. In der Leonorenstraße werden wir ab März oder April werden wir den Radweg ertüchtigen. Für die Straße Unter den Eichen in Höhe des Botanischen Gartens hat der Senat bereits ein Radfahrstreifen mit Freigabe des Linienverkehrs angeordnet. Auch das werden wir im Frühjahr umsetzen.

Die Fahrradstraße in der Lauenburger Straße und Sedanstraße wollen wir wirksamer gestalten. Wir werden prüfen, die sogenannte Spielstraße am Lauenburger Platz für durchfahrende Autos zu sperren.

 

Sie erwähnten Ihre Erfahrungen in Friedrichshain-Kreuzberg. Der Bezirk geht bei der Aufteilung des Straßenraums radikaler vor als andere Bezirke. Die Oranienstraße soll weitgehend autofrei werden. Wäre so etwas auch in Steglitz-Zehlendorf denkbar?

Da muss man differenzieren. Wir haben hier keine Oranienstraße. Für eine dauerhaft autofreie oder nur für den Anlieger- und Busverkehr geöffnete Straße sehe ich aktuell keinen Bedarf. Allerdings planen wir, die Schloßstraße an Sonntagen für den Durchgangsverkehr zu sperren.

Mehr als ein Brückenabriss: Der Stadtrat setzt darauf, den Breitenbachplatz neu zu erfinden. Bild: IMAGO/Joko
Mehr als ein Brückenabriss: Der Stadtrat setzt darauf, den Breitenbachplatz neu zu erfinden. Bild: IMAGO/Joko

Aktiv angehen werde ich die Mega-Kreuzung am Kranoldplatz. Gemeinsam mit dem Senat müssen wir noch in dieser Legislaturperiode dahin kommen, sie für Radfahrer und Fußgänger sicherer zu machen. Wir müssen die Verkehrssituation normalisieren, derzeit kommen die Autos aus allen Richtungen.

Auch den Kranoldplatz an sich wollen wir aufwerten. Momentan sieht man dort nur Grau und Blech. Mir schwebt, natürlich unter Beibehaltung des Kranoldmarktes, eine Art Piazza vor. Mit Stadtentwicklungsstadtrat Michael Karnetzki werde ich hierbei eng zusammenarbeiten.

 

„Schulwegsicherheit ist mindestens genauso wichtig wie die Stammbahn“

 

Ob U-Bahnverlängerung, S-Bahnausbau oder der Rückbau der Autobahnbrücke am Breitenbachplatz: Bei den wirklich großen Verkehrsthemen geht nichts ohne den Senat. Was sagen Sie denen, die denken, der Bezirk betreibe nur Symbolpolitik?

Das sehe ich ganz anders. Als ehemaliger Quartiersmanager und Referent weiß ich: Es gibt keine kleinen oder großen Themen. Auf die Perspektive kommt es an. Aus Sicht von Eltern sind sichere Schulwege am wichtigsten. Für andere ist die Reaktivierung der Stammbahn nach Potsdam elementar.

Meine Aufgabe ist es, all diese Sichtweisen zusammenzutragen und zu schauen, wie ich meiner Rolle zum Wohle der Menschen gerecht werden und meinen Einfluss geltend machen kann, selbst wenn Bund oder Senat zuständig sind. Für mich ist die Schulwegsicherheit mindestens genauso wichtig wie die Stammbahn. Der Breitenbachplatz soll wieder ein wunderschöner Stadtplatz werden. Daher werden wir den Rückbau der A104, der ja längst Konsens ist, aktiv begleiten.

 

Wann werden Sie ein Radverkehrskonzept vorlegen?

Dieses Thema liegt bei der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Diese arbeitet derzeit am Entwurf eines Rad- und Fußverkehrskonzeptes und wird es dann mit den anderen Ampel-Fraktionen diskutieren und abstimmen. Ich hoffe, dass die BVV es noch vor der Sommerpause beschließen wird.

 

Was haben Sie mit der Schloßstraße vor? Die SPD-Fraktion hat wegen der vielen Nutzungskonflikte schon vor Jahren ein Verkehrskonzept gefordert, passiert ist nichts.

Die Schloßstraße ist unser Ku’damm. Ich wünsche mir, dass aus ihr endlich eine moderne und nachhaltig gestaltete Straße wird. Immer wieder werden Lieferzonen zugeparkt. Hierfür brauchen wir eine Lösung. Ich werde mich mit dem Ordnungsamt und der Polizei zusammensetzen. Vorher hat es keinen Sinn, über zusätzliche Lieferzonen oder größer angelegte Konzepte nachzudenken. Übrigens wären dort auch Stellplätze für E-Roller, Lastenräder oder mehr Raum für zu Fuß gehende Menschen denkbar.

 

Zur Person:
Urban Aykal (48) ist seit Dezember 2021 Stadtrat für Ordnung, Umwelt- und Naturschutz, Straßen und Grünflächen in Steglitz-Zehlendorf. Zuvor arbeitete der Grünen-Politiker unter anderem als persönlicher Referent von Monika Herrmann, Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg und als Quartiersmanager in Neukölln. Der Diplom-Politologe lebt mit seiner Familie in Steglitz.

Interview und Foto: Nils Michaelis