Mehr denn je greifen Frauen in Berlin nach der Macht. Bei der Gleichstellung bleibt dennoch viel zu tun.
So viele Frauen in politischen Spitzenjobs gab es in Berlin noch nie. Läuft bei den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und Linken alles nach Plan, wird Franziska Giffey (SPD) am 21. Dezember zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt. Die 43-Jährige wäre die erste Frau an der Spitze des Berliner Senats. Zuvor hatte einzig mit der zwischen 1947 und 1948 amtierenden kommissarischen Oberbürgermeisterin Louise Schröder (SPD) eine Frau die Geschicke der Stadt geleitet.
Auch in den Bezirken tut sich einiges. Mit Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg und Marzahn-Hellersdorf haben derzeit vier von zwölf Bezirken eine Bürgermeisterin. Auch in Spandau, Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf werden nach der Wahl im September aller Voraussicht nach Frauen den Topjob im Rathaus erobern.
Premiere in Spandau und Pankow
In Spandau wurde die SPD mit Kandidatin Carola Brückner knapp stärkste Kraft. Sie wäre dort die erste Frau auf dem Bürgermeisterposten. In Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf holten die Grünen die meisten Stimmen. Dort wurden Cordelia Koch und Kirstin Bauch als Bürgermeisterkandidatinnen nominiert.
Bauch wäre nach Monika Thiemen (SPD) die zweite Frau als Bezirksbürgermeisterin im fusionierten Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Koch wäre die erste Bürgermeisterin im Großbezirk Pankow. In Friedrichshain-Kreuzberg soll Bezirksstadträtin Clara Herrmann Amtsinhaberin Monika Herrmann (beide Grüne) beerben. Cerstin Richter-Kotowski (CDU) wird nach aktuellem Stand Bezirksbürgermeisterin in Steglitz-Zehlendorf bleiben.
CDU-Kandidatin chancenlos
In Tempelhof-Schöneberg wird Jörn Oltmann (Grüne) Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) ablösen. Im Ergebnis verteilen sich die zwölf Bezirksbürgermeisterposten künftig voraussichtlich auf fünf Frauen und sieben Männer.
Das wachsende politische Gewicht der Frauen spiegelt sich auch in den neu gewählten BVVen wieder. Außer in Tempelhof-Schöneberg wuchs der Frauenanteil in allen Parlamenten, am stärksten in Mitte und Treptow-Köpenick (jeweils 9,1 Prozent) sowie in Marzahn-Hellersdorf (7,3 Prozent), so das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Mit einem Anteil von 50,9 Prozent liegt Mitte vorn. Treptow-Köpenick kommt auf 43,6 Prozent.
Frauenanteil gestiegen
Auch im Berliner Abgeordnetenhaus sitzen nun mehr Frauen. Nach einem leichten Minus im Jahr 2016 ist der Anteil um 2,3 Prozent auf 35,4 Prozent gestiegen. Mit 54,2 Prozent hat die Linke-Fraktion die Nase vorn, gefolgt von den Grünen mit 53,1 Prozent. Schlusslicht ist die CDU (13,3 Prozent).
Trotzdem hält sich bei den zuständigen Sprecherinnen in den Fraktionen die Euphorie in Grenzen. „Es ist erfreulich, dass der Frauenanteil hier wieder leicht gestiegen ist, doch von der gesellschaftlichen Realität, also 50 Prozent, sind wir vor allem beim Blick auf einige Fraktionen noch weit entfernt“, sagt die neu ins Landesparlament eingezogene Bahar Haghanipour von den Grünen.
Paritätsgesetz bleibt Thema
„Es braucht den politischen Willen, um Veränderungen anzustoßen“, so Haghanipour. „Bei den Koalitionsverhandlungen wird sicherlich auch über das seit Langem geplante Paritätsgesetz gesprochen.“
„Beim Gedanken an ein Paritätsgesetz, das Parteien vorschreibt, wen sie auf ihre Listen setzen, bekomme ich Bauchschmerzen“, sagt Maren Jasper-Winter von der FDP-Fraktion. In mehreren Bundesländern seien solche Pläne gescheitert. Sie setzt darauf, Frauen im kommunalen Bereich gezielt für eine politische Karriere aufzubauen.
Mehr Frauen als Männer auf der Liste
Je zwei Männer und zwei Frauen hätten die vier FDP-Mandate in der BVV Mitte inne, so Jasper-Winter. Zudem hätten die Liberalen in Mitte mehr Frauen als Männer zur BVV-Wahl aufgestellt. Die zwölfköpfige Fraktion im Abgeordnetenhaus zählt indes nur zwei weibliche Mitglieder.
Neben den Grünen spricht sich auch Derya Caglar von der SPD-Fraktion für Parität aus, gerade auch im neuen Senat. In ihrer Fraktion ist der Frauenanteil allerdings um 0,6 Prozent auf 38,9 Prozent abgerutscht.
Vorbilder zählen
Wie Haghanipour setzt Caglar auf Vorbilder und begrüßt die Aussicht auf eine Regierende Bürgermeisterin: „Franziska Giffey hat bewiesen, dass man auch als Frau und Mutter Spitzenämter ausüben kann.“ Auch Caglar fordert, Hemmnisse abzubauen und Strukturen aufzulockern. Damit Frauen ihren Weg gehen können und dies auch einfordern.
Auch Maja Loeffler, Gleichstellungsbeauftragte in Marzahn-Hellersdorf, begrüßt den gewachsenen Einfluss von Frauen in der Berliner Politik. „Es macht sich bemerkbar, wenn ein Bezirksamt paritätisch besetzt ist“, sagt sie im Hinblick auf die Situation in dem Ostbezirk. Das dortige Bezirksamt zählt aktuell drei Stadträtinnen, eine absolute Ausnahme in Berlin.
Text: Nils Michaelis, Collage: britibay.de, Grüne Pankow, SPD Berlin/Jonas Holthaus