Auf dem Weg zum Gräberfeld unterhalb der Statue des Sowjetsoldaten ist auf den ersten Blick alles wie gehabt. Touristen machen Selfies, Menschen legen Blumen nieder, Familien sind ins Gespräch vertieft oder genießen die Sonne. Bild: Nils Michaelis
Auf dem Weg zum Gräberfeld unterhalb der Statue des Sowjetsoldaten ist auf den ersten Blick alles wie gehabt. Touristen machen Selfies, Menschen legen Blumen nieder, Familien sind ins Gespräch vertieft oder genießen die Sonne. Bild: Nils Michaelis

Am 8. Mai wird an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa erinnert. 77 Jahre später tobt Russlands Krieg in der Ukraine. Wie erleben die Menschen den Gedenktag in diesem Jahr? Ein Besuch am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park.

Polizei ist man hier gewohnt, zumal an diesem symbolträchtigen Tag. Doch in diesem Jahr ist die Präsenz der Ordnungshüter viel massiver. Am Eingangsportal zum Sowjetischen Ehrenmal stehen mehrere Mannschaftswagen. Beamte nehmen jeden, der das Gelände betritt oder verlässt, unter die Lupe.

Auf dem Weg zum Gräberfeld unterhalb der Statue des Sowjetsoldaten ist auf den ersten Blick alles wie gehabt. Touristen machen Selfies, Menschen legen Blumen nieder, Familien sind ins Gespräch vertieft oder genießen die Sonne.

Flaggenverbot sorgte für Irritationen

Erst nach und nach fällt auf, was sich geändert hat. Normalerweise sind russische Flaggen oder Menschen jeden Alters in Uniformen der Roten Armee zu sehen. Heute davon keine Spur. Der Berliner Senat hatte an Gedenkorten wie diesem ein Verbot ukrainischer und russischer Flaggen und jeglicher Uniformen verhängt. Provokationen zwischen Russen und Ukrainern wollte man unbedingt vermeiden.

Die Polizei meldet nur wenige Verstöße gegen das Flaggenverbot, das aufseiten ukrainischer Vertreter im Vorfeld für Irritationen gesorgt hatte. Heute flattern lediglich einige rote Fahnen türkischer und griechischer Kommunisten im Wind. Vor sich her trägt die kleine Gruppe eine DDR-Flagge.

Während an der Skulptur „Mutter Heimat“ normalerweise antifaschistisches Liedgut aus der Koserve kommt oder Reden gehalten werden, herrscht Funkstille.

Infostände fehlen

Für 12 Uhr hatte dort der Bund der Antifaschisten und die Begegnungsstätte Pro zu einer Kundgebung zum „Tag der Befreiung vom Faschismus“ aufgerufen. Heuer allerdings ebenfalls als „stilles Gedenken“. Auch die gewohnten Infostände über das Kriegsende in Berlin fehlen. Die Kundgebung selbst ist im anwachsenden Strom der Besucher kaum auszumachen.

Das Sowjetische Ehrenmal ist kein Denkmal für den Kriegstreiber Russland: Dieser Punkt ist Anwohnerin Sabine Donath besonders wichtig. Bild: Nils Michaelis
Das Sowjetische Ehrenmal sei kein Denkmal für das Russland von heute: Dieser Punkt ist Anwohnerin Sabine Donath besonders wichtig. Bild: Nils Michaelis

Die verhaltene Stimmung an diesem Gedenktag ist etwas gespenstisch, erscheint wegen der aktuellen Lage aber angemessen. Die Menschen scheinen die neuen Maßgaben zu akzeptieren. Trotzdem ist nicht jeder der Auffassung, dass an diesem 8. Mai und an diesem Ort zwangsläufig alles anders sein muss.

Beschmiertes Ehrenmal

„Das Sowjetische Ehrenmal erinnert an alle Völker der Sowjetunion, nicht nur an die Russen“, sagt Sabine Donath. Die Sowjetunion habe mit Putins Russland nichts zu tun.

„Hier wurden auch viele Ukrainer bestattet“, sagt Donath und zeigt auf die Gräberfelder. Dass das Ehrenmal seit dem Kriegsbeginn Ende Februar durch Farbattacken verunstaltet wurde, verurteilt die Anwohnerin als geschichtsvergessen. Schon zu DDR-Zeiten sei es der 59-Jährigen ein Bedürfnis gewesen, das größte Denkmal für gefallene Sowjetsoldaten in Deutschland zu besuchen. Daran halte sie fest.

Das „stille Gedenken“ hält Donath für angemessen. „Im Gegensatz zum ,Tag des Sieges‘ am 9. Mai in Russland war der 8. Mai hier ohnehin noch nie ein Freudenfest“, sagt sie.

Zeichen gegen den Krieg

Auch Angi Saverio ist heute in den Treptower Park gekommen. Der Italiener will ein Zeichen gegen den Krieg und für den Frieden setzen. „Was in der Ukraine passiert, ist ein Skandal“, sagt er. Russlands Präsident Wladimir Putin führe dort einen Stellvertreterkrieg gegen die USA.

Ein Signal gegen die Gewalt sendeten auch die zahlreichen Blumen, die am Ehrenmal abgelegt wurden und ein Band mit der Aufschrift „Nein zum Krieg“ tragen. Auf Deutsch. Und auf Russisch. 

Auch am 9. Mai wird im Treptower Park des Kriegsendes gedacht. Eine Privatperson hat laut einem rbb-Bericht für 8 Uhr zu einer Kundgebung gegen den Überfall auf die Ukraine eingeladen. Mit bis zu 500 Teilnehmenden wird gerechnet.

Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes veranstaltet ab 9 Uhr am Sowjetischen Ehrenmal eine „Kundgebung gegen den Krieg und Dank an die Befreier:innen“. Erwartet werden rund 100 Teilnehmende.

Für den 8. und 9. Mai wurden mehr als 50 Demonstrationen und Kundgebungen in Berlin angemeldet.

Text: Nils Michaelis