Solidarität mit den Betroffenen: Immer wieder wird in Neukölln gegen rechte Gewalt demonstriert. Bild: IMAGO/Carsten Thesing
Solidarität mit den Betroffenen: Immer wieder wird in Neukölln gegen rechte Gewalt demonstriert. Bild: IMAGO/Carsten Thesing

Im Prozess um rechtsextreme Anschläge in Neukölln ist ein Angeklagter für schuldig befunden worden. Die Reaktionen sind durchwachsen.

Der Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten sollte vor allem zwei Brandanschläge in Neukölln aufklären, die offenbar Teil einer ganzen Serie waren. Am Dienstag fiel ein weiteres Urteil. Das Strafmaß für Sebastian T., einer der beiden Hauptangeklagten: eineinhalb Jahre Haft, ohne Bewährung. Nicht wegen der Feuerattacken, die unter anderem Politiker von Linken und SPD gegolten haben, sondern wegen Sachbeschädigung in 27 Fällen und Betrugs.

Unter anderem werden ihm drei Sachbeschädigungen in der Nacht vom 15. auf den 16. März 2019 zur Last gelegt. T. soll gemeinsam mit einem Kameraden einen Hausflur und zwei Hausfassaden beschmiert haben. Außerdem wurde der unrechtmäßige Bezug von der Soforthilfe für kleinere Betriebe während des Lockdowns 2020 geahndet. T. hatte einen Ein-Mann-Betrieb, aber keinerlei nachweisbare Ausgaben. T. mutmaßlicher Komplize war im Dezember ebenfalls vom Hauptvorwurf der Brandstiftung freigesprochen worden.

SPD: „Rechtsstaatliches Zeichen gegen Nazi-Hetze“

 

„Wir begrüßen das Urteil gegen den Neuköllner Neonazi Sebastian T. als ein rechtsstaatliches Zeichen gegen Nazi-Hetze und Intoleranz“, teilt die Neuköllner SPD-Bezirksfraktion mit. „Leider wurde er nicht wegen der Brandstiftungen und Morddrohungen verurteilt, sondern lediglich wegen Propagandadelikte und Sozial- bzw Corona-Soforthilfenbetrug.“

Es sei ärgerlich, dass sowohl Sebastian T. als auch der frühere AfD-Kreisvorstand Tilo P., nicht für die schweren Delikte verurteilt werden konnten. „Wir hoffen dass der Untersuchungsausschuss zum Thema ‚Neukölln-Komplex‘ im Abgeordnetenhaus noch mehr zutage fördert. Und dass dieser Nazi-Terror endgültig aufgeklärt wird und alle Täter ermittelt werden können.“

Die Serie von rechtsextremen Anschlägen traf auch die SPD-Fraktion: Der Gesundheitsausschuss-Vorsitzenden Gabriela Gebhardt wurde das Auto einmal angezündet. Den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Peter Scharmberg traf es insgesamt dreimal, so die SPD-Fraktion.

Ferat Koçak: „Gesamtes rechtes Netzwerk aufdecken“

Der Linke-Abgeordnete Ferat Koçak gehört ebenfalls zum Kreis der Betroffenen. Auch sein Auto stand in Flammen. Dabei wurde das Haus seiner Eltern beschädigt. „Wir müssen weiterhin Angst haben“, sagte Koçak nach der Urteilsverkündung. „Solange nicht das gesamte rechte Netzwerk aufgedeckt wird, können wir nicht ruhig schlafen“, so Koçak gegenüber der „Berliner Zeitung“. Er sprach Versäumnisse und Fehler der Berliner Sicherheitsbehörden an, die bislang nicht aufgeklärt seien. 

Koçak verfolgte den Prozess als Nebenkläger. Er verzichtete darauf, gegen das Urteil vorzugehen. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt.

Ursprünglich waren fünf Männer im Zusammenhang mit Vorfällen in Neukölln angeklagt, bei denen es neben der Brandstiftung um rechtsextremistische Schmierereien und Bedrohungen ging. Mit dem „Neukölln-Komplex“ beschäftigt sich auch ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses.

Text: red/nm