ERKUNDUNG Nordwestlich vom quirligen S-Bahnhof Frankfurter Allee beginnt die Rigaer Straße, ihr folgen wir ein Stück, um gleich rechts in die Pettenkoferstraße abzubiegen, die zur Bänschstraße führt. Diese Vorzeigetrasse kann man auf einem Grünstreifen in der Straßenmitte entlang flanieren und über die prächtig renovierten Altbauten staunen, während es auf die stattliche Samariterkirche zugeht.
Berühmt wurde die ab 1892 erbaute Kirche Mitte der 1980er-Jahre, als sie unter Pfarrer Rainer Eppelmann zum Treffpunkt der Friedensbewegung und der DDR-Opposition avancierte. Hinter dem Gotteshaus werden die Gründerzeitbauten noch prächtiger.
Ehemaliger Schlachthof
An der Ecke Proskauer Straße beginnt der im Sommer sehr belebte Forckenbeckplatz. Hinter einem Brunnen mit steinernen Elefanten biegen wir rechts ab, überqueren die mitunter stark befahrene Eldenaer Straße und haben somit soeben die Grenze zu Prenzlauer Berg passiert.
Es geht geradeaus auf das riesige Areal des ehemaligen Zentralvieh- und Schlachthofs. Ab dem Jahr 1881 wurden die Berliner von hier aus mit Fleisch versorgt. Viele der Backsteinhallen werden heute anderweitig genutzt, zudem wurden etliche Neubauten errichtet. Links erstreckt sich der bei Hundebesitzern beliebte Blankensteinpark, im hinteren Bereich sieht man das Skelett einer Halle, direkt davor führt ein Weg links zur Straße Zur Marktflagge.
An der Ecke Thaerstraße steht links das frühere Schlachthof-Verwaltungsgebäude von 1897, rechts ein kleines Häuschen: das Portierhaus, erbaut 1895, es korrespondiert wunderbar mit dem an die Bauhaus-Architektur erinnernden Haus dahinter. Die hier beginnende Otto-Ostrowski-Straße führt zum Hausburgplatz. Kurz vor dem 1909 errichteten Wasserturm überqueren wir den Platz zur Kochhannstraße – wir sind wieder auf Friedrichshainer Terrain.
Die Kochhannstraße führt an diversen prächtigen Wohnblöcken vorbei und über die Petersburger Straße hinweg zur Richard-Sorge-Straße. Hier sollte man ein Stück nach rechts gehen, zur ehemaligen Aktienbrauerei Friedrichshöhe. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde hier Bier gebraut, leider nur bis 1991.
Hochburg der Hausbesetzerszene
Wir gehen nun die Richard-Sorge-Straße Richtung Süden und kommen an den altehrwürdigen Tilsiter Lichtspielen (Richard-Sorge-Str. 25a, Friedrichshain, Tel. 426 81 29, www.tilsiter-lichtspiele.de) vorbei. Das Moviemento am Kottbusser Damm ist noch etwas älter, aber mit seiner Eröffnung im Jahr 1910 gehören die Lichtspiele zu den ältesten Kinos der Stadt. Zwei Säle mit 66 und 26 Plätzen erwarten die Gäste ebenso die wie zugehörige Kneipe. Und mit 6 bis 8 Euro Eintritt ist das Filmvergnügen hier erschwinglich.
Wir passieren die aus Holz gebaute kleine Kirche der evangelisch-methodistischen Christuskirche. Die Richard-Sorge-Straße hieß einst Tilsiter Straße und ist heute nach dem Schriftsteller und sowjetischen Agenten Richard Sorge benannt. Eine Gedenktafel am Haus Nummer 8 erinnert an dessen Mitstreiter Anna und Max Christiansen-Clausen, eine weitere am Haus Weidenweg 29 an Sorge selbst.
Der Weidenweg führt uns nach links hinüber zum Bersarinplatz, benannt nach Nikolai Erastowitsch Bersarin, dem ersten sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin. Nun geht es über die Petersburger Straße und rechts hinein in die Rigaer Straße, eine Fahrrad-Straße.
Wieder beginnt ein Altbau-Bereich, wobei Graffiti und bemalte Fahnen daran erinnern, dass dies eine Hochburg der Hausbesetzerszene war und teils noch ist, etwa bei der Hausnummer 94, die wiederholt für Schlagzeilen gesorgt hat.
Rechts taucht die Galiläakirche auf, erbaut 1909–1910. Wir kreuzen mehrere Straßen, darunter auch die Silvio-Meier-Straße, benannt nach dem 1992 von Neonazis getöteten linken Aktivisten. Immer wieder fällt auf, dass Baulücken durch Neubauten geschlossen wurden. Die spannende Rigaer Straße endet am S-Bahnhof Frankfurter Allee, unserem Ausgangspunkt. Für die etwa 5,5 Kilometer lange Strecke sollte man um die 1,5 Stunden einplanen.
Text: Martin Schwarz