ERKUNDUNG Ein Spaziergang durch den nördlichen Teil Neuköllns, der in den vergangenen Jahren einen starken Wandel vollzogen hat.
Der heutige Spaziergang ist etwas persönlicher gehalten als sonst. Denn elf Jahre habe ich bis 1997 in Neukölln-Nord gewohnt. Und wie sich der Kiez verändert hat! Aus einer Schmuddelecke ist ein Szenebezirk geworden. Der Laden mit Groschenromanen in der Weichselstraße ist ebenso verschwunden wie die dortige Freibank-Fleischerei, statt Kiosk nun Späti, statt Eckkneipe nun Szenebar.
Der Spaziergang beginnt am U-Bahnhof Rathaus Neukölln. Erstaunlich, wie viele Häuser in der eher unscheinbaren Fuldastraße unter Denkmalschutz stehen, jene mit den Hausnummern 14,15, 22, 23, 37–39 und 55–56. Die Wohnanlage an der Ecke Ossastraße stammt sogar von Bruno Taut. An der Hausnummer 56 befindet sich das Fleischerfachgeschäft Kluge (Di–Fr 9-17 Uhr, Sa 8–14 Uhr, Tel. 623 55 56, fleischerei-kluge.berlin). Es existiert seit mehr als 60 Jahren, seit 1990 wird hier Neulandfleisch angeboten.
Erinnerung an Blick über die Mauer
Eine Filiale befindet sich in der Rüdesheimer Straße 3 in Wilmersdorf. Am Ende der Fuldastraße geht es über den Weichselplatz nach links zur Lohmühlenbrücke. Bis 1988 war hier mauerbedingt die Welt zu Ende. Dann gab es einen Gebietsaustausch mit der DDR, und die Brücke konnte zur Harzer Straße hin genutzt werden. Und wenn man den alleinstehenden Altbau hinter der Mauer auf der Ostseite sah, dachte man immer: Wer da wohl wohnen mag?
Wir folgen hinter der Brücke rechts dem Kiehlufer am Neuköllner Schifffahrtskanal bis zur Bouchéstraße. Links und rechts über den Elbingeroder Weg treffen wir auf die Harzer Straße und biegen rechts ab. Dabei passieren wir bei der Hausnummer 39 das Gelände der Geyer-Werke. Das für den analogen Film existenzielle Kopierwerk existiert nicht mehr, moderne Dienstleister sind ins schöne Gebäude eingezogen.
Hinter der Treptower Straße passieren wir einen Spielplatz und gelangen zur Teupitzer Straße. Nach rechts an der Obdachlosenhilfe Kubus vorbei – die Suppenküche (https://kubus-berlin.de/mahlzeit-kubus-suppenkueche) für Bürgergeld-Empfänger, Geringverdiener oder Rentner mit schmalem Einkommen kostet 2,50 Euro, man freut sich über Spenden – geht es über den Kanal und links über einen Pfad und am Fernheizwerk Neukölln vorbei zur Ederstraße.
Gebäude unter Denkmalschutz
Die Weser- bringt uns zur Thiemannstraße, die führt nach links zum Hertzbergplatz. Der beherbergt eine adrette Minigolfanlage (im März geht es dort wieder los). Direkt dahinter hat der Imbiss „Traumeck“ in den Sommermonaten eine Gartenwirtschaft eingerichtet.
Wir folgen der Stuttgarter Straße bis zur Roseggerstraße. Rechts stehen die Gebäude mit den Hausnummern 31 bis 35 unter Denkmalschutz und gehören zu einer sehenswerten Anlage, die sich über die Werrastraße bis zur Innstraße zieht. Über den Trusepark geht es zum Weigandufer, das uns nach links zum Wildenbruchplatz führt.
Den Platz mit den Findlingen durchqueren wir und landen in der Wildenbruchstraße, links geht die Schandauer Straße ab. Auf dem Gelände der Grundschule habe ich früher Tischtennis gespielt: bei Union Victoria Neukölln, einem früheren Artistenverein, der leider nicht mehr existiert.
Die Elbestraße leitet nach links zur Sonnenallee, vorbei an einem alten Toilettenhäuschen. Die Sonnenallee gilt es vorsichtig zu überqueren, um gegenüber bei der „Orient Rösterei“ (Mo–Sa 10–20 Uhr) leckere Nüsse zu kaufen. Rechts gehen wir in die Schönstedtstraße, sie führt uns zurück zum U-Bahnhof Rathaus Neukölln.
Hier sollte man bei „Feinkost Kropp“ in der Karl-Marx-Straße 82 einkaufen, den Laden gibt es seit mehr als 80 Jahren. Und das Rathaus mit seinem Vorplatz ist auch einen Blick wert. Für die knapp sechs Kilometer lange Strecke sollte man mindestens anderthalb Stunden einplanen.
Text: Martin Schwarz