Rund jede fünfte Berliner Wohnung gehört einem landeseigenen Vermieter.
Rund jede fünfte Berliner Wohnung gehört einem landeseigenen Vermieter.

Mieter von landeseigenen Wohnungen stehen höhere Kosten bevor. Seit Jahresbeginn dürfen kommunale Gesellschaften wieder die Mieten erhöhen. Das hat mit dem gescheiterten Mietendeckel zu tun. Beim Thema bezahlbares Wohnen sieht sich der rot-grün-rote Senat hohen Erwartungen gegenüber.

Die Mieter von rund 200.000 landeseigenen Wohnungen in Berlin müssen bald tiefer in die Tasche greifen. Seit Jahresbeginn können die öffentlichen Wohnungsunternehmen Degewo, Howoge, Gesobau, Gewobag, WBM sowie Stadt und Land wieder Mieterhöhungen anordnen.

Die nach dem Aus für den Berliner Mietendeckel im vergangenen Jahr vom Senat angeordnete Übergangsfrist ist Ende Dezember abgelaufen. Seit dem Jahreswechsel dürfen die abgesenkten Mieten schrittweise bis maximal zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden.

Große Unterschiede

Bei Wohnungen, deren Mieten in der Zeit des Mietendeckels gemindert wurden, darf die Miete in diesem Jahr um bis zu 2,5 Prozent angehoben werden. Für alle anderen Wohnungen mit laufenden Verträgen ist ein Prozent möglich.

Die Mieten klettern um durchschnittlich acht Cent pro Quadratmeter. Pro Wohnung ergibt das im Schnitt eine Erhöhung von 4,81 Euro im Monat. Beim Blick auf die einzelnen Gesellschaften ergeben sich allerdings erhebliche Unterschiede.

Mit rund 74.000 Wohnungen ist die Degewo die größte landeseigene Wohnungsbaugesellschaft. Laut einem Bericht der „Berliner Zeitung“, der sich auf Angaben der genannten Wohnungsunternehmen beruft, will sie in diesem Jahr die Mieten für rund 56.000 Wohnungen erhöhen. Im Schnitt soll die Miete um 6,16 Euro pro Wohnung steigen. Das ist eine Erhöhung von durchschnittlich zehn Cent je Quadratmeter.

Etwas teurer wird es für rund 4.400 Mieter, für die die Miete in der Zeit des Mietendeckels abgesenkt worden war. Hier steigen die Kosten im Schnitt um 8,71 Euro pro Wohnung, das sind 17 Cent je Quadratmeter Wohnfläche.

47.000 Wohnungen betroffen

Die Gewobag (Bestand: rund 73.000 Wohnungen) plant in diesem Jahr Mietsteigerungen für gut 47.000 Wohnungen. Für 3.568 Wohneinheiten, deren Miete abgesenkt wurde, soll das Entgelt zum 1. März um 2,5 Prozent angehoben werden. Das bedeutet eine Steigerung um durchschnittlich 7,17 Euro pro Wohnung.

Darüber hinaus sind zum 1. April Erhöhungen für rund 33.000 Wohnungen geplant, die ebenfalls unter den Mietendeckel fielen, deren Miete aber nicht gesenkt wurde. Die geplante Erhöhung beläuft sich auf durchschnittlich 3,57 Euro.

Für 2.037 Wohnungen, die nicht unter den Mietendeckel fielen, will die Gewobag die Miete zum 1. April anheben. Bei den 2.037 Wohnungen soll die Miete pro Wohnung im Schnitt um 16,49 Euro monatlich anziehen. Die 188 Sozialwohnungen darunter sollen sich im Schnitt um 12,28 Euro verteuern.

Alle Quartiere vertreten

Von den Mietsteigerungen sind Wohnungen in allen Quartieren, in denen die landeseigenen Vermieter Wohnungen besitzen, betroffen lässt David Eberhart, der Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), wissen.

Den größten Anteil am Wohnungsmarkt haben landeseigene Wohnungsunternehmen in Lichtenberg (57.771 Wohnungen beziehungsweise 17,35 Prozent des landeseigenen Gesamtbestandes) und Marzahn-Hellersdorf (40.722 Wohnungen beziehungsweise 12,23 Prozent).

Die Mietererhöhungen greifen überwiegend ab dem 1. April. „Das Gros der entsprechenden Ankündigungen wird im Zeitraum Januar bis März verschickt“, so Eberhart. „Die Schreiben enthalten alle Informationen sowie insbesondere auch den Hinweis auf die Härtefallregelungen, die die Unternehmen ihren Mietern bieten, auf deren Grundlage individuelle Lösungen zur Vermeidung einer Überforderung der betreffenden Haushalte gefunden werden.

BBU: Mietsteigerungen sind unverzichtbar

„Die vergleichsweise hohe Zahl der Anpassungen erklärt sich daraus, dass Mietanpassungen vorgenommen werden, die normalerweise über den zurückliegenden Zeitraum von mehr als zwei Jahren verteilt ergangen wären“, teilt Eberhart mit.

Sie seien unverzichtbar, um die Liquiditätsentwicklung der Unternehmen sicherzustellen, insbesondere mit Blick auf die Investitionsanforderungen aus dem Neubau in den kommenden Jahren sowie die gleichzeitig umzusetzenden energetischen Maßnahmen im Bestand.

Erhöhungen prüfen

Der Berliner Mieterverein (BMV) rät den betroffenen Mietern, die angekündigten Mieterhöhungen zu prüfen. Die im Juni zwischen Senat und Wohnungsunternehmen getroffenen Vereinbarungen seien aber sozial vertretbar, betont BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Im Vergleich zu vielen privaten Anbietern bieten kommunale Wohnungsunternehmen einen deutlich besseren Schutz.“

Allerdings stelle der Mieterverein in den letzten Monaten auch bei den kommunalen Wohnungsunternehmen häufig eine schleppende Mängelbeseitigung fest. Zudem sei der Mieterservice „teilweise unzulänglich“.

Senat unter Druck

Die Mietsteigerungen kommen zu einem Zeitpunkt, wo der Berliner Senat beim Thema Wohnen und Mieten unter hohem Erwartungsdruck steht. „Wir brauchen dringend Lösungen gegen die alltägliche Vernichtung preiswerten Wohnens bei Wiedervermietung, durch Abriss, Aufteilung und Kurzzeitvermietungen“, so Wild.

Der Wohnungsbau müsse auf die mittleren und unteren Preissegmente fokussiert werden. Die Förderrichtlinien für den Sozialen Wohnungsbau seien zu verbessern, die Klimatauglichkeit des Neubaus zu stärken und Instrumente zu nutzen, die Bodenpreise und Bodenrichtwerte dämpfen.

Auch CDU-Fraktionschef Kai Wegner fordert mehr bezahlbare Wohnungen. „Das ist unsere Erwartung an Franziska Giffey und ihren Senat“, so Wegner.

20.000 neue Wohnungen pro Jahr

Um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entschärfen, setzt die rot-grün-rote Landesregierung auf verstärkten Neubau. Derzeit bereitet der Senat ein Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen vor. Die Zielmarke liegt bei 20.000 Wohnungen pro Jahr.

Ein Konzept von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) sieht vor, dass bis zu 7.500 Wohnungen von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften kommen, dazu 1.500 von Genossenschaften und der Rest von privaten Unternehmen.

Geisel setzt zudem auf weitere Instrumente. „Auch die Frage des Vorkaufsrechts wollen wir weiter lösen“, sagte er der „Berliner Morgenpost“.

Text: Nils Michaelis, Bild: IMAGO/Schöning