Der Deutsche Behindertensportverband will nicht nur mehr mediale Aufmerksamkeit auf den Parasport lenken.
Ein TV-Marktanteil von 10,5 Prozent, 13 deutsche Goldmedaillen und einige mediale Aufmerksamkeit: Die Bilanz der Paralympischen Sommerspiele, die im Spätsommer 2021 in Tokio stattgefunden haben, kann sich sehen lassen. Doch die Paralympischen Spiele sind nur die Kür des deutschen Behindertensports. Neben dem Leistungssport ist auch und vor allem der Breiten-, Präventions- und Rehabilitationssport ein wichtiges Standbein des Deutschen Behindertensportverbands (DBS). „Keine Spitze ohne Breite gilt auch für den Behindertensport“, betont DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher.
Nachwuchs-Sorgen
Und im Parasport gibt es trotz zahlreicher Erfolge in den vergangenen Jahren und einiger strahlender Vorbilder, wie dem Weitspringer Markus Rehm, Nachwuchsprobleme. Oberstes Ziel sei es deshalb, vorhandene Barrieren im Breitensport abzubauen. „Die Paralympics haben eine große Strahlkraft und sorgen für öffentliche Wahrnehmung“, heißt es vom Verband. „Natürlich freuen wir uns über die mediale Aufmerksamkeit im Rahmen der Paralympics“, sagt der Referent für Sportentwicklung des DBS, Kai Niklas Labinski.
Es bedürfe aber mehr, um den Sport von Menschen mit Behinderung dauerhaft in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Als Beispiel nennt er die European Championships im August in München. Zwar gab es dort mehrere Para-Wettbewerbe, aber lediglich für die Para-Kanuten und -Ruderer. Auch andere Sportler mit Behinderung hätten die Bühne, die die Meisterschaften in der bayerischen Hauptstadt geboten haben, gerne genutzt. In der öffentlichen Wahrnehmung gingen die Para-Wettbewerbe weitgehend unter. „Die öffentliche Berichterstattung ist noch nicht da, wo wir hinwollen“, so Labinski. Aber auch daran arbeitet der Verband.
Positive Entwicklung
Laut dem aktuellen Teilhabebericht der Bundesregierung geben 55 Prozent der Menschen mit Behinderung an, nie Sport zu treiben. Zum Vergleich: Bei Menschen ohne Behinderung sind es gerade einmal 29 Prozent, die nie Sport machen. Auch das will der DBS ändern – und den Einstieg in den Sport vor allem für Kinder und Jugendliche mit Behinderung vereinfachen. Dafür müssen zunächst einige Barrieren abgebaut werden. Denn noch gibt es zu wenige wohnortnahe Sportmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung und zu wenig Breitensport-Angebote, bei denen wirklich alle mitmachen können.
Corona habe die Situation noch einmal verschärft, von einem Mitgliederverlust von bis zu 15 Prozent ist die Rede. Aber es gibt auch positive Entwicklungen: Mit Angeboten wie „Jugend trainiert für Paralympics“ und dem Deutschen Sportabzeichen für Menschen mit Behinderung, wird die Behindertensportjugend aktiv gefördert. Hinzu kommen 75.000 zertifizierte Gruppen im Rehabilitationssport und mehr als 1.000 Aus- und Fortbildungsangebote des DBS.
Versorgung vorantreiben
Der Verband setzt sich seit einiger Zeit auch für eine bessere Hilfsmittelversorgung für Sportler mit Behinderung ein. „Wir fordern, dass es für Menschen mit Behinderung einfacher wird, an Prothesen oder Sportrollstühle zu kommen. Das ist eine Grundlage, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Sport zu ermöglichen“, so Labinski. Zu einer größeren sportlichen Teilhabe soll auch das „Handbuch Behindertensport“ beitragen.
Die Intention: Mehr Menschen mit Behinderung zum Sporttreiben bewegen sowie Vereine und Übungsleiter ermutigen, mehr wohnortnahe Sportangebote für Menschen mit Behinderung zu schaffen – im besten Fall inklusiv.
Text: kr