Vom Ort jüdischen Bürgerstolzes zur Kriegsruine: Eine neue Informationsstele erzählt die Geschichte des früheren Sanatoriums in Lichterfelde.
Am 2. Dezember 2022 ist am Jungfernstieg, Ecke Bruno-Walterstraße in Lichterfelde die regionalhistorische Informationstele „Das Sanatorium Lichterfelde“ enthüllt worden. Mit dabei waren die Kulturstadträtin Cerstin Richter-Kotowski und Nina Haeberlin von der Stolpersteininitiative der Markusgemeinde Steglitz, die das Projekt initiiert hat.
Am Jungfernstieg 14 standen bis 1962 Reste des 1889 von den jüdischen Ärzten Max Goldstein und Albert Lilienfeld gegründeten Sanatoriums für Nervenkranke, innere Kranke, Suchtkranke und Erholungsbedürftige (später Sanatorium Lichterfelde genannt). Behandelt wurde auf der Basis neuer wissenschaftlicher Therapien, was den Ruf des Sanatoriums als moderne medizinische Einrichtung begründete. Darüber und über weitere historische Details informiert der Text der Informationsstele.
26 regionalhistorische Informationsstelen
Richter-Kotowski begrüßt, dass im Jungfernstieg 14 die mittlerweile 26. regionalhistorische Informationsstele im Bezirk der Öffentlichkeit übergeben wurde. Vor Ort erinnerte sie an das Sanatorium Lichterfelde und die Familie Goldstein.
Richter-Kotiowski: „Seit 2008 leisten die von Karin Rosenberg entworfenen Stelen einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in Steglitz-Zehlendorf – mit ihrem markanten roten Design sind sie zu einem Markenzeichen des Bezirks geworden.“
Thematisch deckten die Stelen ein breites, sehr vielfältiges Themenspektrum ab – immer jedoch rückten sie historische Ereignisse, Orte und Persönlichkeiten ins öffentliche Bewusstsein, die in der Geschichte und Topographie des Bezirks verankert seien, heißt es aus dem Bezirksamt.
Im Lichterfelder Privat-Sanatorium fanden sich Patienten des gehobenen, nicht ausschließlich jüdischen Bürgertums aus dem gesamten Deutschen Reich ein. Bis 1939 blieb die Leitung der Einrichtung in der Hand der Familie Goldstein, seit 1935 unter Führung der Tochter von Max Goldstein, Charlotte Goldstein.
Mit zunehmender Verfolgung, die 1938 auch zum Entzug der Approbation für jüdische Ärztinnen und Ärzte führte, entschloss sich Charlotte Goldstein zu emigrieren. Sie sah sich gezwungen, das Sanatorium nebst Inventar und verbliebenem Personal in einem Pachtvertrag der 1939 gegründeten Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zu unterstellen. Längst diente das Sanatorium als „Dauerwohnheim“ für Menschen, die infolge antijüdischer Politik Erwerb und Wohnung verloren hatten.
Nach Ausschluss der jüdischen Bevölkerung aus der staatlichen Fürsorge wurden die Grundstücke Jungfernstieg 14 und 18, mit dem Wohnhaus der Familie Goldstein, zu Zwecken der allein der Reichsvereinigung obliegenden jüdischen Wohlfahrtsfürsorge als Siechenheim genutzt.
Das Reichssicherheitshauptamt befahl die Räumung des Heims zum Dezember 1941. Die Bewohner kamen in anderen Einrichtungen unter, bis sie deportiert wurden. Auf dem Areal von Nr. 14 wurden nunmehr SS-Mannschaften stationiert. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Fliegerbomben Teile des Gebäudekomplexes.
Eine Übersicht zu regionalhistorischen Informationsstelen in Steglitz-Zehlendorf kann hier heruntergeladen werden.
Text: red/nm