Jennifer Kuschel in ihrer Küche. Foto: Sascha Uhlig / Berliner Abendblatt
Die Influencerin Jennifer Kuschel in ihrer Küche. Foto: Sascha Uhlig / Berliner Abendblatt

Die Berliner Influencerin Jenny Kuschel erreicht mit ihren Rezeptevideos auf dem Kanal „Food & Family“ Tausende Zuschauer. Damit kommt Sie selbst inzwischen mehr als nur über die Runden – trotzdem sollen ihre Kochvorschläge im kommenden Jahr noch günstiger werden.

Erst die Corona-Pandemie, dann die steigenden Mieten, jetzt auch noch Inflation und Energiekrise: Wer in Berlin und anderswo schon zuvor mit nur wenig Geld am Ende des Monats auskommen musste, hatte in der vergangenen zwei Jahren erst recht wenig zu lachen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind zudem die Kosten für Nahrungsmittel enorm gestiegen.

Für viele Menschen in Deutschland reicht das knapp bemessene monatliche Budget nicht mehr für eine ausgewogene Ernährung. Das zeigt sich auch darin, dass die Tafeln zuletzt einen riesigen Zulauf erfuhren und die viel zu vielen Bedürftigen kaum bis gar nicht mehr versorgen konnten. In Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt. Angesichts weiterhin steigender Lebensmittelpreise erscheinen vielen Betroffenen selbst die 50 Euro durch das „bessere Hartz-IV“ namens Bürgergeld, das ab dem 1. Januar gilt, wie ein schlechter Witz.

Mal wieder „broke“

Um all diese Sorgen und Nöte weiß auch Jennifer Kuschel aus Ostberlin. Die 34-jährige alleinerziehende Mutter von drei Kindern lebte selbst jahrelang am Existenzminimum, konnte nur mit Mühe ihr Studium  finanzieren und war regelmäßig pleite. Oder “broke”, wie sie das selbst nennt. Aus jener Zeit stammen auch viele ihrer “Mal wieder broke”-Rezepte, mit denen sie seit über einem Jahr auf Plattformen wie TikTokInstagram und Youtube unter dem Namen “Food & Family” mehrere hunderttausend Menschen erreicht, inspiriert und ganz praktisch hilft.

Denn viele ihrer Zuschauer sind selbst Studenten, Alleinerziehende oder derzeit ohne festen Job. Sie kennen das, wenn am Monatsende mal wieder nicht mehr als fünf oder zehn Euro zum Essen für den Tag eingeplant werden können. Kuschel zeigt Ihnen, wie man auch ohne großes Budget gut und einfach zu Hause kochen kann.

Hauptsache satt

Eine Ihrer Geheimwaffen im Kampf gegen leere Teller bei knapper Kasse sind sogenannte Instantnudeln, die “man in ganz vielen Varianten zubereiten und nutzen kann”, wie Kuschel sagt. “Egal ob Lasagne oder überbacken, da geht so einiges.” Ihr Rezept mit den bis heute meisten Aufrufen ist hingegen Camembert im Blätterteig – für gerade mal 1,79 Euro.

„Viele Kritiker wissen gar nicht selbst, wie es ist, nicht viel zu haben.“

Doch natürlich bleibt bei einer so großen Reichweite auch Gegenwind kaum aus. Zu ungesund seien ihre Rezepte. Und zudem nicht abwechslungsreich genug. “Doch viele, die so etwas schreiben, wissen gar nicht selbst, wie es ist, nicht viel zu haben”, sagt Kuschel. “Das ist leider so, dann kannst du nicht immer auf eine komplett gesunde Ernährung achten, sondern vor allem darauf, dass du satt wirst. Alles andere wird hinten angestellt. Das können nicht alle nachvollziehen.”

Kein Rezept über fünf Euro

Bevor Kuschel zur Influencerin wurde, nutzte sie TikTok wie die meisten: als Zeitvertreib nebenbei. Sogar ein Karaoke-Video ist unter ihren frühen Clips zu finden. Doch ihr erstes Reel, das durch die Decke ging, war im Jahr 2020 ein Rezept für japanische Onigiri, das sie zusammen mit ihrem Sohn moderierte und in kürzester Zeit Millionen Aufrufe erlangte.

Jennifer Kuschel in ihrer Küche, eingerichtet im Stil der 50er US-Jahre. Foto: Sascha Uhlig / Berliner Abendblatt
Jennifer Kuschel in ihrer Küche, eingerichtet im Stil der 50er US-Jahre. Foto: Sascha Uhlig / Berliner Abendblatt

Von da an fokussierte sie sich aufs Kochen in ihren Videos. Sie entdeckte andere Influencer, doch deren “Broke”-Rezepte gingen von sechs bis sieben Euro pro Gericht aus. Das geht noch günstiger, dachte sich Kuschel und das Konzept ihres TikTok-Kanals war geboren. Seit Ende 2021 lädt sie regelmäßig Rezeptideen für knappe Geldbeutel ins Netz und geht damit durch die Decke – Tendenz steigend, leider auch wegen der vielen Krisen der vergangenen Jahre.

Je schlechter es den Menschen finanziell geht, desto mehr Aufrufe bekommen auch ihre Videos. Sie selbst kann von ihren Videos und einer Reihe von Werbekooperationen inzwischen leben. Ein Zwiespalt, der auch ihr mehr als bewusst ist und sie beschäftigt. Gerade deswegen zieht sie auch weiterhin strikt ihr 5-Euro-Konzept durch: Keines ihrer Rezepte soll mehr kosten. Noch schafft Kuschel das jedes Mal, doch angesichts der steigenden Lebensmittelpreise wird es zusehends schwieriger. “Man muss immer mehr Abstriche machen”, sagt sie.

Sparsam durch die Weihnachtszeit

Derzeit macht die studierte Druck- und Medientechnikerin Platz im Kühlschrank für die Feiertage im Dezember. “Ich bin ein Riesen-Weihnachtsfan”, sagt Kuschel, gefragt nach ihren Plänen und Rezepten für das kommende Weihnachtsfest. “Ab dem 1. Dezember fangen wir mit dem Schmücken an, dazu machen wir noch Musik, backen Plätzchen, ich will da in so richtig festliche Stimmung kommen.”

All das möchte Kuschel dann auch wieder mit ihren Followern teilen. Denn diese sind nicht nur an ihren Rezepten interessiert, sondern auch an ihrem Alltag als alleinerziehende Mutter. Mit ihren Zuschauern teilt sie viel Privates, was gut läuft, aber auch, was nicht so gut läuft. Vlogs nennt sich diese Form ihrer Videos, sie zeigen ihr Leben in all seinen Facetten und bringen den Zuschauern den Menschen hinter den Rezepten noch ein Stückchen näher. Das reicht von Haushaltsplänen über Erziehung bis hin zu kleinen Späßen zwischendurch. Denn Authentizität, das weiß auch Kuschel, funktioniert auf Social Media besonders gut.

Jenny Kuschel filmt sich selbst beim Kochen, das Ergebnis lädt sie auf TikTok und Instagram. Foto: Sascha Uhlig / Berliner Abendblatt
Jenny Kuschel filmt sich selbst beim Kochen, das Ergebnis lädt sie auf TikTok und Instagram. Foto: Sascha Uhlig / Berliner Abendblatt

Hinsichtlich der günstigen Rezepte für die festlichen Tage, stecke sie derzeit jedoch erst noch mitten in der Recherche. “Ich habe schon etliche Anfragen bekommen, was man an den Feiertagen kochen kann, sodass noch etwas Geld für die Geschenke übrig bleibt.” Dort das Richtige zu finden, sei allerdings gar nicht so einfach, so Kuschel. Bei vielen weihnachtlichen Rezepten müsse man etwas frittieren, und Öl sei auch nicht gerade billig, da schaue sie gerade nach Alternativen. In den Jahren zuvor machte sie gerne Quarkkeulchen, doch in diesem muss das wohl gestrichen werden.

Was sie aber schon verraten kann: Auch in diesem Jahr wird es auf Wunsch ihrer Kinder wieder einen Weihnachtsrummel mit Zuckerwatte und gebrannten Mandeln geben – in ihrer eigenen Wohnung! Obendrauf gibt es Spiele in den Räumen der Drei-Zimmer-Wohnung in Ost-Berlin. Die Idee dazu ist während Corona entstanden, doch ihre drei Kinder fanden das so toll, dass sie das auch in Zeiten wieder offener Weihnachtsmärkte wieder haben wollten.

Fünf Euro pro Tag

An Plänen für das kommende Jahr mangelt es Kuschel auch nicht. So ist etwa eine neue Videoserie in Arbeit: Fünf Euro pro Tag, statt pro Gericht! “Das wird viel Hate geben”, so Kuschel, doch sie weiß auch, dass für viele gerade am Ende des Monats selbst fünf Euro zu viel sind.

„Was anderswo als Essen für Arme gilt, kann hier  schon wieder teuer sein.“

Zudem sei ein Buch in Arbeit, alles noch streng geheim. In ihren Videos will sie zudem auch mal eine Zeitreise in die 50er-Jahre machen – ihre absolute Lieblingsdekade, ihre grün-pinke Küche ist bereits im Stil eines US-amerikanischen Diners jener Zeit gestaltet. Außerdem plant sie, vermehrt neue Speisen und Zutaten auszuprobieren, zuletzt waren das Linsen und Kichererbsen. Generell würde Kuschel gerne auch mal etwas internationaler kochen. Quasi “Broke-Gerichte” aus aller Welt, wie sie sagt. “Doch was in anderen Ländern als Essen für Arme gilt, kann hier wegen der Transportkosten schon wieder teuer sein”, sagt sie, “aber schon jetzt bekomme ich viele Nachrichten von Muslimen, was ich mal probieren könnte, das ist sehr inspirierend.”

An Ideen für die Zukunft mangelt es Kuschel also definitiv nicht. Und an dem Bedarf nach sparsamen Rezepten in so schwierigen Zeiten wie diesen wohl leider auch nicht.

Text & Fotos: Sascha Uhlig