Emine Demirbüken-Wegner
Die CDU-Politikerin Emine Demirbüken-Wegner ist wegen polarisierender Äußerungen zu einer Flüchtlingsunterkunft umstritten.

Fast drei Monate nach der BVV-Wahl ist das Bezirksamt Reinickendorf noch immer nicht komplett. Die Zählgemeinschaft aus SPD, Grünen und FDP gerät zunehmend unter Druck, Emine Demirbüken-Wegner (CDU) doch noch zur Stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin und Stadträtin zu wählen.

Beim ersten Wahltermin im November gab es für Emine Demirbüken-Wegner keine Mehrheit in der Bezirksverordenetenversammlung (BVV). Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hatten sie in zwei Wahlgängen geschlossen abgelehnt. Bei der BVV-Sitzung in der vergangenen Woche wurde der Wahlgang vertagt. Nach einer Erklärung der früheren Gesundheitsstaatssekretärin zu ihrer Kandidatur hatte sich die SPD „Bedenkzeit“ erbeten. um die Rede zu bewerten.

Weil auch die beiden anderen CDU-Kandidaten noch nicht gewählt sind, sind derzeit drei von sechs Bezirksamtsposten unbesetzt. Damit wird Reinickendorf ab morgen zum Schlusslicht bei der „Regierungsbildung“ in den Bezirken. Heute Abend wählt Charlottenburg-Wilmersdorf ein neues Bezirksamt.

Verein kritisiert Vorwürfe

Die verfahrene Situation bei der Bezirksamtswahl in Reinickendorf sorgt für großen Unmut, und zwar nicht nur bei der Opposition in der BVV. „Wir möchten zum Ausdruck bringen, die Verhinderung von Frau Demirbüken-Wegner als stellvertretende Bürgermeisterin und Stadträtin nicht nachvollziehen können“, schreibt der Vorstand des Football-Vereins Berlin Adler in einem Offenen Brief an die Bezirksverordneten.

Und weiter: „Wir sind ein multikultureller Verein mit aktiven Vereinsmitgliedern aus vielen Nationalitäten. Gerade deswegen sind wir sehr aufmerksam, wenn es um Diskriminierung geht. Vorwürfe gegen Frau Demirbüken-Wegner, sie sei ausländerfeindlich oder gar
rechtsradikal, sind an Unsinnigkeit und Frechheit nicht zu übertreffen.“

Aufruf zum Dialog

Einen ähnlichen Tenor hat der Offene Brief der Afghanischen Gemeinde in Reinickendorf. Die Vorwürfe des Rechtspopulismus und der mangelnden Fachkompetenz seien unbegründet. „Gerade als CDU-Politikerin mit türkischem Migrationshintergrund kennt sie die Nöte und Anliegen der islamischen Gemeinden und setzt sich nachdrückliuch für deren Belange ein und versucht zu vermitteln“, heißt es in dem Schreiben.

Die Gemeinde bittet „alle demokratischen Parteien in der BVV Reinickendorf,
ihren Dialog wieder miteinander aufzunehmen, da wir ein voll funktionierendes Rathaus und feste Ansprechpartner im Bezirksamt benötigen.“

In einem Offenen Brief stellen sich zudem 81 Unternehmer aus Reinickendorf hinter die Kandidatin Emine Demirbüken-Wegner. „In unserem Bezirk wie in unseren Wirtschaftskreisen ist der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte signifikant“, heißt es in dem Brief. „Deren Empfindlichkeiten steigen. Wir alle wünschen uns, dass auch im Bezirksamt Reinickendorf die ethnische Vielfalt unserer Wirtschaft abgebildet werden kann.“

CDU hält an Kandidatin fest

Die eigentlichen Adressaten der Offenen Briefe sind die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP. Die Linke-Fraktion hat angekündigt, Demirbüken-Wegner ins Bezirksamt zu wählen. Die CDU-Fraktion hält an der Kandidatin fest.

Die Ampel-Fraktionen hatten ihre Ablehnung unter anderem mit einem Wahlkampfflyer der 60-Jährigen im Vorfeld der Abgeordnetenhauswahl begründet. Dieser habe sich gegen die geplante Modulare Unterkunft (MUF) für Geflüchtete am Paracelsus-Bad gerichtet, hieß es. Auf dessen Titelbild habe das Paracelsus-Bad gebrannt, zudem sei ein Hammer mit der Inschrift „MUF“ darauf zu sehen gewesen.

Wer eine derartige Stimmungsmache betreibe, könne keine führende Rolle im Bezirksamt spielen, so die Ampel-Fraktionen.

Demirbüken-Wegner schweigt

Demirbüken-Wegner, die bei der Abgeordnetenhauswahl ihr Mandat einbüßte, hat sich bislang nicht direkt zu den Flyern geäußert. In der besagten Rede vor den Bezirksverordneten erklärte sie, den – in ihrem ehemaligen Wahlkreis gelegenen MUF-Standort – öffentlich kritisiert, aber auch alternative Standorte genannt zu haben. Niemals habe sie sich rassistisch geäußert oder solche Meinungen unterstützt. Auch in den Offenen Briefen bleibt der Flyer unerwähnt.

Auch innerhalb der SPD wird eine MUF am Parecelsus-Bad kritisch gesehen, unter anderem aus Gründes des Denkmalschutzes. Die BVV Reinickendorf sprach sich in einem Beschluss gegen diesen Standort aus.

Wahl am 12. Januar?

Was die neue Bewertung der Lage aufseiten der SPD-Fraktion ergeben hat, ist offen. SPD-Fraktionschef Marco Käber ließ eine Anfrage dieser Zeitung unbeantwortet. Die nächste Sitzung der BVV – und damit wohl auch ein weiterer Wahlvorgang – ist am 12. Januar.

Text: Nils Michaelis, Archivbild: IMAGO/photothek