Wie Christiane Wolter ihre Tochter zurückbekam.

Zur Zeit des Mauerfalls am 9. November 1989 wohnte ich mit meinem Mann in Johannisthal. Wir haben zwei Töchter. Unsere älteste Tochter war damals schon verheiratet und lebte in Köpenick. Unsere jüngere Tochter lebte noch bei uns. Sie hatte einen jungen Mann kennengelernt. Für beide war es die große Liebe und sie wollten heiraten. Das Problem: Der Freund unserer Tochter lebte in Westberlin. Sie heirateten in Ostberlin, mussten aber dann ausreisen. Anschließend durfte unsere Tochter etliche Zeit nicht zu uns kommen. Das war für uns Eltern natürlich sehr schmerzlich.

Berechtigte Frage

Zurück zum 9. November: An diesem Tag ging mein Mann zur Beisetzung eines Kollegen aus unserer Gartenanlage am Bahnhof Schöneweide. Ich hatte an diesem Tag Haushaltstag und wollte große Wäsche machen. In unserem Haus hatten wir nette Nachbarn, die als einzige ein Telefon hatten. Heute weiß ich nicht mehr, wie spät es war, als sie mich ans Telefon riefen. Mein Schwiegersohn aus Kladow war dran. „Warum seid ihr noch nicht hier?“, fragte er mich. Dann erzählte er, dass die Mauer offen sei und er am Grenzübergang Sonnenallee auf uns warten würde.

Große Freude

In diesem Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte und ließ meinen Tränen freien Lauf. Dann benachrichtigte ich die Familie meiner große Tochter, die sich sofort zu uns auf den Weg machte. Inzwischen war auch mein Mann zu Hause und wir fuhren alle zur Sonnenallee. Unter tausenden Menschen fanden wir schließlich meinen Schwiegersohn. Wir fuhren dann gemeinsam nach Kladow, wo meine Tochter schon auf uns wartete. Das war eine große Freude. Am späten Abend fuhren wir wieder nach Hause.

Heute mit 91 Jahren bin ich noch einigermaßen fit. Meine Kinder und Enkel umsorgen mich und ich bin froh, dass wir alle vereint sind. Meine Töchter sind nun auch schon im Rentenalter. Sie sind alle gesund und das ist doch die Hauptsache.

Datum: 7. November 2019, Text: Christiane Wolter, Bild: Privat/Christiane Wolter