Bewohner können Wohnsituation bewerten – nicht nur, aber auch in Bezug auf den Straßenstrich.

Erst im Sommer des letzten Jahres sorgte Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel mit seinen Aussagen zur Zukunft des bekanntesten Berliner Straßenstrichs an der Kurfürstenstraße für Aufsehen. Der Grünen-Politiker forderte damals eine Sperrzone, auch und vor allem im Sinne der Anwohner. Sein Antrag aber fand kein Gehör, ein Verbot der Sexarbeit rund um den Lützowkiez war für die anderen Parteien keine Option. Auch heute scheint eine Sperrzone weiter unwahrscheinlich. Von Dassel und das Bezirksamt wollen den Kiez aber dennoch lebenswerter machen.

Viele Störfaktoren

Immer mehr Anwohner beschweren sich über Müll und Fäkalien auf der Straße, gewalttätige Auseinandersetzungen oder Sex in der Öffentlichkeit. Ob sich aber wirklich das gesamte Areal von den Sexarbeitern gestört fühlt oder die Anwohner ganz andere Probleme umtreiben, will das Bezirksamt nun mit einem Fragebogen herausfinden. Auf den, gemeinsam mit der Universität Potsdam entworfenen, Bögen können die Bürger unter anderem auf einer Skala von eins bis fünf angeben, inwiefern sie sich von Lärm, Bettlerei oder Müll gestört fühlen, welche Gründe sie zu einem Wegzug aus dem Kiez bewegen würde und wie sie die Arbeit der öffentlichen Verwaltung einschätzen.

Bereits vor einigen Tagen wurden die entsprechenden Briefe an alle Anwohner verschickt. Von Dassel sprach im Vorfeld von rund 6.100 Adressen, die einen Fragebogen erhalten. „Wir wollen ein klareres Bild erhalten, wie die Bewohner der Kurfürstenstraße die Situation sehen, vor allem, was die Prostitution, aber auch andere mögliche Störfaktoren angeht“, so von Dassel bei einem Pressegespräch vor dem Versand. Neben der Kurfürstenstraße gehören auch der Lützowplatz, das Schöneberger Ufer sowie alle Straßen bis zum Gleisdreieck zum befragten Gebiet.

Bald Ergebnisse

Die BVV Mitte finanziert das Projekt mit rund 100.000 Euro. Das Schöneberger Bezirksamt wollte sich zwar nicht an der Befragung beteiligen, es soll aber zu einem gemeinsamen Auswerten der Ergebnisse kommen. Bis Ende Februar haben die Anwohner Zeit, die Fragen zu beantworten. Das kann entweder per Post und Rückversand oder aber online passieren. Die entsprechenden Anweisungen und persönliche Kennnummern finden die Bürger auf den Umfragebögen. Stephan von Dassel plädierte aber erneut für striktere Regeln an der Kurfürstenstraße, vor allem was die Sexarbeit in Nähe von Schulen oder Kindertagesstätten angehe. Er habe einen entsprechenden Antrag an den Justizsenator verfasst, aber noch keine Antwort erhalten. „Das Land Berlin muss Regelungen finden, die Mindeststandards für Sexarbeit festlegen. Wir brauchen Klarheit. Und zwar nicht jeder Bezirk für sich, sondern wirklich berlinweit.“

Runder Tisch

Unter anderem soll bald ein Runder Tisch, organisiert vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, zum Thema stattfinden. Darin soll es erneut um das Prostituiertenschutzgesetz, die Anmeldezahlen der Sexarbeiter und Schutzmaßnahmen für sie gehen. Nach einer Auswertung der Umfrage-Ergebnisse sollen diese im März zunächst analysiert und dann der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Text: Katja Reichgardt, Bild: imago/Olaf Selchow