Leerstand in Mitte
Dieses Haus in der Weddinger Burgsdorfstraße steht seit Jahren leer. Bäume wachsen aus den Fenstern. Bild: IMAGO/Jürgen Ritter

Bezahlbarer Wohnraum in Berlin ist Mangelware. Gleichzeitig stehen Tausende Wohnungen in der Stadt leer. Warum spekulativer Leerstand immer mehr zum Problem für die Bezirke wird.

Die Tür ist immer noch mit Holzbalken verbarrikadiert, die Fenster teilweise eingeschlagen. Das oft als „Horror-Haus“ bezeichnete Wohnhaus an der Kameruner Straße war vor einigen Jahren Dauergast in den Medien. Müll, Verwahrlosung und Ratten sorgten für einigen Ärger. Die Mieter mussten monatelang ohne fließendes Wasser ausharren, der Vermieter unternahm nichts, um die Situation zu verbessern.

Im Frühjahr 2018 wurde das Haus schließlich von der Polizei geräumt. Das Bezirksamt kündigte an, „es möglichst schnell dem Wohnungsmarkt zuzuführen“. Rund vier Jahre später steht es immer noch leer. Und das, obwohl Wohnraum in der Stadt ohnehin immer knapper wird. Für viele Vermieter lohnt sich Leerstand aktuell eben mehr als eine Neu-Vermietung.

Zu viele Ausnahmen

Eigentlich soll das Zweckentfremdungsverbot jahrelangen Leerstand verhindern. Demnach dürfen Vermieter eine Wohnung maximal drei Monate leer stehen lassen. Doch laut Kritikerin greift dieses Gesetz zu selten und weist zu viele Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen auf. Hinzu kommt, dass die Bezirke von vielen Leerstandsfällen nichts wissen. Die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bezirksparlament, Martha Kleedörfer, fordert einen „Masterplan gegen Leerstand“, um die Situation im Bezirk zu verbessern.

„Es müsste proaktiv nach leer stehenden Wohnungen Ausschau gehalten, eingehende Meldungen umgehend bearbeitet und entsprechend gehandelt werden. Die gesetzliche Lage ist klar: Leerstand ist illegal und kann belangt werden – aber das Bezirksamt scheint sich zu zieren, die Instrumente zur Beendigung von Leerstand zu nutzen. Das muss sich ändern“, lautet ihr Appell.

Die Spitze des Eisbergs

Auf Anfrage des Berliner Abendblatts teilt das Bezirksamt Mitte mit, dass es seit Mai 2014 insgesamt 1.104 Amtsermittlungsverfahren aufgrund von Leerstand gegeben hat. „Davon sind aktuell 242 in der Bearbeitung. Die restlichen 862 sind bereits abgeschlossen.“ Pro Jahr sind es also knapp 140 Fälle, die gemeldet werden. Die Leerstand-Dunkelziffer dürfte allerdings weitaus größer sein.

Die Initiative „Leerstand in Berlin-Mitte“ geht von bis zu 150.000 leer stehenden Wohnungen in der Stadt aus, die meisten von ihnen entfallen auf die Innenstadtbezirke. Eine Statista-Statistik wiederum sagt aus, dass im Jahr 2020 etwa 0,9 Prozent der Wohnungen in der Bundeshauptstadt leer standen. Genaue Zahlen kann allerdings niemand nennen. Auch weil Vermieter einen Leerstand von bis zu zwölf Monaten beispielweise mit Modernisierungsplänen begründen können.

Initiativen fordern Nutzung leer stehender Gebäude

Nicht nur bezahlbarer Wohnraum ist in Berlin Mangelware, auch soziale Träger haben Probleme, Räumlichkeiten zu finden. Die Initiative „Mietenwahnsinn Nord“ fordert unter anderem zwei leer stehende Gebäude – an der Stettiner Straße 38 und der Osloer Straße 116a – als Housing First Projekt für Obdachlose und Notunterkunft für Betroffene häuslicher Gewalt zu nutzen.

Vom Bezirksamt fühlen sie sich allein gelassen. „Wir müssen selbst aktiv werden, wollen wir der Spekulation mit Leerstand etwas entgegensetzen. Wir nehmen es nicht mehr hin, dass Eigentümerinnen und Eigentümer Millionen verdienen, während Menschen keine Wohnung finden“, heißt es in einer Mitteilung.

Berliner können Leerstand in ihrem Kiez übrigens selbst – und anonym – bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen oder auf einer eigens für Leerstandsmeldungen eingerichteten Homepage melden. „Jede Aufmerksamkeit für das Thema Leerstand ist wichtig, und ihn bekannt und öffentlich zu machen, ist der erste Schritt, ihn zu beenden und den Wohnraum den Berlinerinnen und Berliner wieder zur Verfügung zu stellen“, hofft Kleedörfer.

Text: kr