Graffiti auf Mauer: Blaues Menschen-Monster-Gesicht mit Zähnen hält Klopapierrolle, brauner Hintergrund. Hinter Mauer oberes Stockwerk eines Hauses zu sehen
Schon die Corona-Krise wurde einst im Park am Nordbahnhof thematisiert. Foto: IMAGO / Future Image

Bisher war das Besprühen der früheren Hinterlandmauer im Park am Nordbahnhof verboten. Doch nun hat das Bezirksamt sich mit der Graffiti-Szene auf einen Deal geeinigt.

Die „North Side Gallery“ kann bleiben: Unter diesem Namen dürfte ein Stück Hinterlandmauer im Bezirk Mitte ab sofort zum legalen Treffpunkt der Berliner Graffiti-Szene werden. Der 500 Meter lange Mauerabschnitt gehörte einst zur Grenzbefestigung der DDR und liegt heute im Park am Nordbahnhof. Bereits in der Vergangenheit wurde er von Graffiti-Künstlern mit aufwändigen Bildern besprüht. Lange Zeit allerdings nur heimlich, denn die in vielen Fällen unzweifelhafte Verschönerung galt als Sachbeschädigung.

In den letzten zwei Jahren gestattete der Bezirk Mitte ein Modellprojekt am Nordbahnhof. Das besagte Mauerstück durfte besprüht werden – allerdings nur nach Anmeldung und unter Aufsicht der „Graffiti Lobby Berlin„. Diese Initiative bezeichnet sich selbst als offenen Kreis von engagierten Menschen, darunter „Künstler, Sozialarbeiter, Unternehmer der Kreativwirtschaft, Stadtentwickler, Galeristen, Lehrer, Politiker“. Das Netzwerk setzt sich für die Pflege und Förderung der Graffiti-Kultur in Berlin und deren Anerkennung als Kunstform ein. Ein wesentliches Ziel dabei ist die Schaffung von legalen, frei zugänglichen Flächen zum Sprühen in der ganzen Stadt.

Von der „OpenAir Gallery“ zur „Hall of Fame“

Von vornherein war klar, dass das kuratierte Modellprojekt „North Side Gallery“ im Idealfall irgendwann eine „Hall of Fame“ für jeden werden sollte – also ein Platz für Sprüherinnen und Sprüher, um sich selbst auszudrücken und mit möglichst schönen Bildern Anerkennung zu gewinnen. In der Regel sind Hall of Fames große Flächen, auf denen das Sprühen häufig geduldet oder erlaubt ist.

Entsprechend begehrt sind die Plätze aber auch, so dass selbst beachtliche Kunstwerke oft schnell wieder übermalt werden. Je mehr solcher Orte es gibt, desto besser für die Graffiti-Szene. Dementsprechend setzt sich die Graffiti Lobby Berlin nach eigenen Angaben schon seit zehn Jahren für die Freigabe der Mauer am Nordbahnhof ein.

Freigabe mit Bedingungen

Die gemeinsame Evaluation des Modellprojekts mit dem Bezirksamt Mitte scheint positiv ausgefallen zu sein, denn Anfang April fasste das Amt den Beschluss, Graffiti an dem Mauerstück zu legalisieren. Die zuständige Ordnungs- und Umweltstadträtin Almut Neumann (Bündnis 90/Die Grünen) sieht Graffiti als „Teil der Jugendkultur“ und folgert: „Deshalb möchten wir als Bezirk legale Möglichkeiten schaffen, wo Jugendliche sich ausprobieren können.“

Die Graffiti Lobby Berlin begrüßt in einer Stellungnahme „die mutige Entscheidung des Bezirksamts Mitte“ und hofft, „dass sich andere Bezirke diesem Vorbild anschließen“. Gleichzeitig ist man sich wohl bewusst, dass die Legalisierung nicht bedingungslos für immer gelten muss. In einem Appell „an jeden Writer und jede Writerin“ fordert die Lobby zum Respekt vor den Grünflächen des Parks, zur Beseitigung von Müll und zum Verzicht auf herabwürdigende Darstellungen in den Kunstwerken der Sprüher auf.