Nach dem „Busen-Zoff“ im Plänterwald setzt sich Gabrielle Lebreton für mehr Geschlechtergerechtigkeit ein. Sie fordert: Wenn sich Männer entblößen, muss dies auch Frauen erlaubt sein. Am 10. Juli zieht eine Oben-ohne-Demo durch Kreuzberg.
Es ist heiß, wir liegen im Grünen und würden uns am liebsten alles vom Leib reißen. Oder zumindest das T-Shirt. Wer kennt das nicht? Diesem zutiefst menschlichen Bedürfnis ging neulich eine junge Frau am Wasserspielplatz im Plänterwald nach. Das Ganze endete mit einem Eklat, den im Berlin des 21. Jahrhunderts wohl niemand für möglich gehalten hätte – und der deutlich macht, dass bei der Geschlechtergerechtigkeit hierzulande noch große Lücken klaffen.
Sicherheitspersonal kritisiert “FKK vor Kindern”
An einem schönen Tag im Juni besucht Gabrielle Lebreton (siehe Bildmitte) mit Sohn und Freund die „Plansche“ im Plänterwald. Dort legt sie sich mit freiem Oberkörper in die Sonne. Zwei Parkaufseher fordern sie auf, sich einen BH anzuziehen oder das Gelände zu verlassen. Sie berufen sich auf die Richtlinien des Wasserspielplatzes, nach denen FKK nicht gestattet sei. Der Oberkörper von Lebretons Partner ist ebenfalls unbedeckt. Warum er nicht behelligt wird, bleibt offen. Lebreton weigert sich, ihre Brüste zu verdecken. Es erscheinen zwei Polizisten und stellen sie vor dieselbe Wahl. Daraufhin verlassen die drei die Plansche.
Bezirk reagiert mit gewundener Entschuldigung
Lebreton meldet den Vorfall dem Bezirksamt Treptow-Köpenick. Dieses entschuldigt sich nach einem persönlichen Gespräch in einer öffentlichen Erklärung für das „entstandene Gefühl der Diskriminierung“, stellt sich aber zugleich hinter das Vorgehen der Sicherheitsleute. Erneut bleibt offen, warum Lebretons Auftreten, im Gegensatz zu ihrem Partner, unter FKK fällt. „Das Bezirksamt unterstützt die öffentliche Diskussion zur Gleichberechtigung“, heißt es an anderer Stelle. „Diese Debatte anhand des Spielplatzes Plansche voranzutreiben, ist aus Sicht des Bezirksamtes aber ein denkbar schlechtes Beispiel, da dieser Spielplatz nicht gleichzusetzen ist mit einer öffentlichen Liegewiese oder einer Badestelle.“
Ein Leuchtturm der Nacktheit
Unter „Freikörperkultur“ (FKK) wird verstanden, dass er oder sie komplett unbekleidet ist. So ist es an FKK-Stränden Vorschrift. Deutschland im Allgemeinen und Ostdeutschland im Speziellen gelten hierbei als besonders fortschrittlich. Beim Vorfall an der Plansche ging es lediglich um einen unbekleideten Busen, den die Aufpasser laut Lebreton als „störend“ bezeichneten.
Viele fragen sich, ob das Vorgehen des Sicherheitspersonals und die angeblichen Vorschriften in diese Zeit passen. Muss man nicht allen Geschlechtern und sexuellen Identitäten die gleichen Freiheiten zugestehen? Müssen nicht gleiche Regeln, zum Beispiel ein Oben-ohne-Verbot, für alle gelten? Oder geht es am Ende nur darum, dass die weibliche, anders als die männliche, Brust als sekundäres Geschlechtsmerkmal gesehen wird?
Gabrielle Lebreton will vor Gericht ziehen
Für Lebreton ist die Antwort klar. „Wie kann es sein, dass in einer Stadt wie Berlin eine Frau von der Polizei verjagt wird, weil man ihre Brüste sieht?“, sagte sie der „Berliner Zeitung“. Sie wolle vor Gericht durchsetzen, dass Frauen überall dort, wo sich Männer mit nacktem Oberkörper aufhalten dürfen, dasselbe Recht haben. Das sei „eine Frage der Gerechtigkeit“. Zudem hat sie die Initiative „Gleiche Brust für alle“ ins Leben gerufen.
„Nackte Brüste? Igitt! Skandal! Polizei!“ – so beginnt der Aufruf zur der Protestkundgebung, die am 10. Juli, um 12 Uhr am Mariannenplatz startet. Organisiert wird die Demo laut einem Bericht der Berliner Zeitung von der sogenannten „Sektion die wilden Möpse – hedonistische Internationale“.
Datum: 8. Juli 2021, Text: Nils Michaelis, Bild: Berliner Zeitung/Gerd Engelmann