Berlin macht sich locker. Parks, Grünanlagen und Uferbereiche sind belebter denn je. Das hat auch seine Schattenseiten.
Auf dem Tempelhofer Feld und an vielen anderen Hotspots im Grünen türmen sich Flaschen, Pizzakartons und weiterer Verpackungsmüll. Das gerät für Passanten an vielen Stellen zum Hindernislauf. Auch wenn dieses Problem immer krassere Ausmaße ausnimmt, so ist es doch alles andere als neu. Ob zusätzliche Mülleimer oder Parkläufer: Die jüngsten Maßnahmen der Verwaltungen wirkten hilflos und kosmetisch.
Anreize für Mehrwegverpackungen schaffen
Die Organisation wirBerlin hat genug. Unter dem Motto „Vermüllung des öffentlichen Raumes stoppen“ hat sich das Netzwerk aus Unternehmen und Bürgern mit einem Offenen Brief an die Bezirksbürgermeister und den Senat gewandt. Darin finden sich Vorschläge für mehr Aufklärung über die korrekte Entsorgung von Abfällen, eine bessere Abfall-Infrastruktur – etwa größere Mülleimer – und eine konsequentere Ahndung von Verstößen mit Bußgeldern.
Aber auch die Anbieter von Take-away-Essen werden in die Pflicht genommen. „Für die Gastronomie müssen Anreizsysteme gegen Einwegverpackungen geschaffen und flächendeckend umgesetzt werden“, heißt es. „Mehrweg-Optionen müssen über die Bestimmungen des Verpackungsgesetzes ab 2023 hinaus gefördert werden.“ Anbieter bräuchten zudem bessere Rahmenbedingungen, um das Problem Müll zusammen mit den Verbrauchern „nachhaltig“ zu lösen. Gegenüber dem rbb brachte Beate Ernst von wirBerlin ein Pfandsystem ins Spiel. Die jetzige Abfall-Infrastruktur sei nicht darauf ausgelegt, dass Menschen sich häufig draußen treffen und dort auch essen und trinken.
Beim Thema Einwegprodukte sind Verschärfungen längst auf dem Weg. Ab dem 3. Juli sind Wegwerfprodukte aus Plastik wie Einwegbesteck und -Teller verboten. So steht es im besagten Verpackungsgesetz. Ab 2023 werden Caterer, Lieferdienste und Restaurants verpflichtet, auch Mehrwegbehälter als Alternative zu Einwegbehältern für Essen und Getränke zum Mitnehmen und Bestellen anzubieten. Eine Ausnahme soll es für kleine Betriebe geben.
Zweifel an dem freiwilligen Angebot
Georg Kössler von der Grünen-Fraktion verspricht sich nachhaltige Effekte von einem Mehrwegsystem für Essen und Getränke zum Mitnehmen: „Ohne einen Umstieg zu Mehrwegverpackungen werden wir der Müllflut nicht Herr werden. Insbesondere die Gastronomie rund um Grünflächen sowie Lieferdienste müssten zu Mehrwegverpackungen verpflichtet werden. Die europaweite Mehrwegpflicht gilt leider erst ab 2023, es muss daher geprüft werden, ob diese Pflicht in Berlin vorgezogen werden kann.“
Bleibt nur die Frage, was eine Mehrwegpflicht wert ist, wenn damit nur die Pflicht zu einem alternativen Angebot gemeint ist. Viele fragen sich: Wäre eine Pfandpflicht für alle To-Go-Verpackungen, also auch für Einwegprodukte, nicht viel sinnvoller? In jedem Fall bräuchte es eine Pfandgebühr, die die Verbraucher animiert, die Behältnisse auch wirklich zurückzubringen. Dass sich an vielen Stellen im Grünen Pfandflaschen und Getränkedosen türmen, macht nicht gerade Hoffnung.
Datum: 1. Juli 2021, Text: Nils Michaelis, Bild: IMAGO/Emmanuele Contini