Erstes selbstfinanziertes Atelierhaus Berlins steht im Charlottenburger Norden.
Auch in Charlottenburg-Wilmersdorf herrscht Atelier-Notstand. Dem tritt nun, im Charlottenburger Norden, eine Genossenschaft entgegen. Rund 50 Künstler haben sich dafür zusammengetan und nun ihr selbst finanziertes Atelierhaus der Öffentlichkeit präsentiert. „Viele von uns mussten in den vergangenen Jahren ihre Ateliers verlassen oder feststellen, wie schwierig es sein kann, neue Atelierräume in Berlin zu finden“, erklärt Barbara Duisburg, eine der 30 Künstler, die nun im Gewerbegebiet unweit der Gedenkstätte Plötzensee arbeiten. „Aus dieser Notsituation heraus kam der Gedanke, sich genossenschaftlich zu organisieren“. Vor zwei Jahren haben sie das ehemalige Verwaltungsgebäude im Stieffring 7 erworben und zu einem Künstlerhaus umgebaut. Laut Duisburg ein wahrer Glücksfall. „Es waren kaum Umbauarbeiten nötig“. Neue Wasserleitungen und Stromkabel mussten dennoch verlegt werden, damit alle Künstler in ihren Arbeitsräumen versorgt sind.
Große Not
Im Erdgeschoss gibt es zudem einen großen Projektraum für die Mieter und besondere Veranstaltungen – wie die Eröffnungsfeier am 14. September. Zu der kamen nicht nur Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann, sondern auch zahlreiche interessierte Berliner. Sie konnten durch die einzelnen Atelierräume schlendern und das Konzept hinter der Künstler-Genossenschaft kennenlernen. Dass dieses Schule machen wird, davon ist auch Barbara Duisburg überzeugt. „Man ist quasi dazu gezwungen, sich in einer Genossenschaft zusammenzufinden“. Zu groß sei die Not von Künstlern mittlerweile in Berlin. Tatsächlich fallen nach Aussage des Berliner Atelierbeauftragten Martin Schwegmann pro Jahr rund 350 bezahlbare Ateliers weg. Eine Mieterin des selbstfinanzierten Künstler-Hauses musste in den vergangenen zwei Jahren sechs Mal umziehen. Kontinuierliches Arbeiten war so unmöglich.
Selbst finanziert
Und immer weniger Künstler können sich die Mieten in der Innenstadt leisten. Eine aktuelle Umfrage des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE) belegt, dass nur zehn Prozent der Künstler in Berlin vom Ertrag ihrer künstlerischen Arbeit leben können. „Durch die prekäre Lebenslage sind sie zumeist nicht in der Lage, steigende Mietkosten zu tragen und verlieren so buchstäblich ihren Arbeitsplatz“, heißt es auf der Seite der Atelierhaus-Genossenschaft Berlin (AHGB). Im „Haus 1“, wie die Künstler das Gebäude nennen, spielen Mieterhöhungen keine Rolle. Um dabei sein zu können, muss ein Genossenschaftsanteil hinterlegt werden, den die Mieter bei einem möglichen Austritt wieder bekommen. Für die kleinste Einheit von 20 Quadratmetern Atelierfläche war eine Einlage von 8.000 Euro notwendig. Ziel ist es nun, noch mehr Räume in Berlin zu erwerben und den restlichen 20 Mitgliedern der Genossenschaft Platz für ihre Kunst geben zu können.
Wer das erste selbst finanzierte Atelierhaus Berlins kennenlernen möchte, soll dazu an kommenden „Tagen der offenen Ateliers“ und anderen Veranstaltungen Gelegenheit haben.
Datum: 23. September 2018, Text. Katja Reichgardt, Bild: Nathalie Grenzhäuser