Gedenkstätte am Platz des 9. November 1989 Gedenkstätte am Platz des 9. November 1989, 22.09.2019, Pankow, Bornholmer Strasse, Berlin, Auf der Gedenkstätte am Platz des 9. November 1989 sind beschriftete Stahlbänder in den Boden eingelassen. Memorial at the Platz des 9 November 1989 Memorial at the Platz des 9 November 1989, 22 09 2019, Pankow, Bornholmer Strasse, Berlin, On the memorial at the Platz des 9 November 1989, inscribed steel strips are embedded in the ground

Regine Kerger feierte die neu gewonnene Freiheit am Ku’damm.

Eigentlich war es ein ganz normaler grauer Novembertag, der 9. November vor 30 Jahren. Wir haben am Abend die Nachrichten gesehen und auch die Rede von Schabowski gehört und konnten damit noch nichts anfangen. Abends traf sich der Friedenskreis, da wir damals eine andere DDR haben wollten, diesmal bei uns zuhause. Die meisten von ihnen hatten nichts von der Rede mitbekommen. Sie wollten uns auch nicht glauben, was wir ihnen erzählten.

In den Westen

Aber im Laufe des Abends wurde es auf der Straße unten immer lauter, Autos hupten, Menschenstimmen drangen zu uns herauf. Wir wohnten damals in der Nähe der Bornholmer Straße und dort hatte es sich bereits wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Als die Gruppe weg war, ging ich sofort zur Bösebrücke und sah dort Himmel und Menschen. Alle wollten in den Westen. Ich schloss mich einer Gruppe an und war auch gleich an dem Ausguckpunkt für die Grenzer und wusste nicht, was ich jetzt machen sollte.

„Ich schloss mich einer Gruppe an. Alle wollten in den Westen“

Ich ging also wieder zurück. Zuhause angekommen, kam mein Mann von der Spätschicht und erzählte, dass auch an der Chausseestraße die Menschen rübergehen. Also beschlossen wir noch einmal zur Bornholmer Straße zu gehen. Dort kamen uns die ersten West-Berliner mit Sekt entgegen, die in den Osten gucken wollten. Wir gingen dann zum U-Bahnhof Osloer Straße und fuhren mit vielen Leuten zum Ku’damm.

Trabi-Hupkonzert

Dort waren viele Menschen unterwegs, die Trabis gaben ein Hupkonzert und es war eine richtige Volksfeststimmung. Wir gingen dann zu meiner Tante in einer Querstraße vom Ku’damm, da wir dort noch Licht sahen. Die Freude war riesig, als wir vor ihrer Tür standen. Sie gab uns gleich 50 Deutsche Mark und sagte, dass wir diesen Tag feiern gehen sollten. Wir liefen zum Savignyplatz und gingen in eine Kneipe. Dort wurde über einen Fernseher von den Ereignissen in der Stadt berichtet. Man sollte bis zum nächsten Morgen wieder zurückgehen, sagte der Reporter. Das taten wir dann auch einige Stunden später.

Mauerbau miterlebt

Auf der Brücke kamen uns nach wie vor viele Menschen entgegen und einige mit Koffern, die jetzt in den Westen ausreisen wollten. Das war wirklich die Nacht der Nächte. Alles war im Ausnahmezustand und in den nächsten Tagen gingen wir noch öfter über die Grenze, denn man wusste nicht, wie lange es so bleiben würde.

Somit hatten wir in unserem Leben zwei wichtige Ereignisse miterlebt. Erst 1961 den Mauerbau als Kinder, bei dem unsere Familien getrennt wurden, und schließlich nach 28 Jahren den Mauerfall, bei dem wir wieder vereint wurden.

Datum: 7. November 2019, Text: Regine Kerger, Bild: imago images/ Steinach