Warum am Beckenrand manchmal Konflikte ausgetragen werden.
Mit Hitze gehen Menschen höchst unterschiedlich um. Während einige versuchen, sich so wenig wie möglich zu bewegen, hangeln sich andere von einem schattigen Plätzchen zum nächsten. Und dann wiederum gibt’s welche, die scheinen angesichts der hohen Temperaturen durchzudrehen. Man sollte also schon darauf achten, wem man zu lange in die Augen schaut oder gar zulächelt.
Wenn sich der falsche junge Mann oder die falsche junge Frau belästigt fühlen, kann es schnell zur Prügelei kommen. Oder nicht weniger unangenehm: das Portemonnaie mit Geld und allen Ausweisen ist plötzlich verschwunden. Im viel zu heißen Juni nahm die Zahl der Vorfälle in den Bädern noch zu: Da kletterten zum Beispiel Menschen über Zäune, um doch noch in wegen Überfüllung geschlossene Bäder zu gelangen, mal wurden Bademeister attackiert oder eine Massenschlägerei angezettelt.
Schon gibt es erste Stimmen, die Polizeischutz in Berliner Bädern fordern. Ausgerechnet der liberale Innenpolitiker Marcel Luthe (FDP) will, dass die Polizei eine Einsatzhundertschaft aufstellt, die sich über den ganzen Sommer hinweg um die Sicherheit in den Freibädern kümmert. Hintergrund der Forderung ist die Antwort auf eine kleine Anfrage, die Luthe an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport gerichtet hatte.
Er wollte wissen, wie viele Straftaten in den 62 Hallen- und Freibädern der Berliner Bäderetriebe 2018 und in diesem Jahr zur Anzeige kamen. Demnach war der Spitzenreiter bei den Straftaten 2018 das Sommerbad Neukölln am Columbiadamm. Dort wurden 130 Straftaten angezeigt: unter anderem 14 Körperverletzungen, 40 Diebstähle und 67 „sonstige Straftaten“ wie zum Beispiel Hausfriedensbuch, Unterschlagung oder Diebstahl aus Kraftfahrzeugen auf dem Parkplatz vor dem Bad.
In diesem Jahr – mit Stand 16. Mai – wurden im und am Sommerbad Neukölln 19 Straftaten angezeigt. Unklar ist, ob die Taten vor oder im Bad passiert sind, weil die Polizei die Straftaten nur nach der Adresse des Tatort erfasst. Luthe fordert deshalb die Berliner Bäderbetriebe auf, einen eigenen Sicherheitsbericht zu erstellen, damit das Parlament angemessen reagieren und die erforderlichen Mittel bereitstellen könne. Für Bädersprecher Matthias Oloew hat die Polizei per se nichts in den Berliner Bädern verloren. Bei jährlich 6,7 Millionen Badegästen sei die Anzahl der Vorkommnisse minimal.
Ein Grund dafür sei, dass jedes Jahr ein hoher sechsstelliger Betrag in Sicherheitsleute investiert werde und man für jede einzelne Einrichtung ein eigenes Sicherheitskonzept entwickelt habe. Außerdem seien in mehreren Bädern Konfliktlotsen des Projektes „Cool am Pool“ im Einsatz, die in der Lage seien, deeskalierend auf Streithähne einzuwirken. Sollte all das nichts nützen, betont Oloew, sei die Polizei sehr schnell vor Ort.
Das Freibad sei heute mehr als früher eine Bühne der Selbstinszenierung, erklärt der Berliner Metropolenforscher Wolfgang Kaschuba. Er hält eine Schwimmbadpolizei für unsinnig, weil die Konflikte, die in Bädern ausgetragen werden, ein Spiegel der Gesellschaft sind. Da müsse eben mehr ausgehandelt werden, sagt der Forscher. Und falls notwendig eben unter Mithilfe von Konfliktlotsen. M. WolfWas denken Sie, liebe Leser, über Polizei am Beckenrand? Ist sie tatsächlich notwendig oder können Konflikte auch anders gelöst werden?
Nehmen Sie an unserer Online-Umfrage teil!
NACHGEFRAGT
Schwimmbäder: Braucht Berlin eine Badepolizei?
[poll id=”77″]
Text: Manfred Wolf, Bild: imago images/A. Friedric