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Bild: imago/Seeliger Die Straßenbahnen in Hohenschönhausen sind stets überfüllt.

Wer in Neu-Hohenschönhausen mit Bus und Bahn unterwegs ist, kennt das Problem: Verspätungen und Ausfälle sind schon seit Jahren keine Besonderheit mehr.

Über fehlende Fahrplan-Treue der alternativ nutzbaren Straßenbahnlinien M4 und M5 wundert sich hier niemand mehr und zur Enge in den Bussen der Linie 256 wird schon gar nicht mehr gejammert: „Proppevoll“ oder „Unpünktlich“ lauten die Alternativen für die Fahrten von und in die City mit der S-Bahn oder der BVG.

Viele Verspätungen

Mit Erstaunen und Verwunderung liest sich nun die Antwort der Senatsverwaltung für
Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, die die Abgeordnete der Linken, Claudia Engelmann zu ihrer Anfrage mit dem Titel „S-Bahn Linie 75“ erhielt.

Geht es nach den Statistiken, die dieses Papier listet, hat der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) die Verbindungen zwischen City und nordöstlichem Stadtrand wirklich bestens organisiert und im Griff.

Die durchschnittliche Auslastung der Tram-Linie 4 lag demnach in der vergangenen vier Jahren bei rund 20 Prozent – zu Tagesspitzenzeiten bei rund 60 Prozent. Ähnliche Werte notiert die BVG auch für die Tram-Linie M5 und den Bus 256.

 

Alarm wegen Überlastung

Auf der M4 wurde in den vergangenen vier Jahren insgesamt nur 111 Meldungen zur Überlastung registriert.

Für die Linie M5 sei dies im gleichen Zeitraum nur 77 Mal  der Fall gewesen. Allein auf der Buslinie 256 scheint auch in den Statistiken der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ein Problem aufzutauchen.

1121 Mal schlugen die Fahrer Alarm, weil keine Fahrgäste mehr in die Busse passten.

Wenige Auffälligkeiten

Und die S-Bahn? An den normalen Betriebstagen fahren rund 30.000 Menschen von und nach Hohenschönhausen mit S75.

Und auch diese Linie ist mit diesen Menschenmassen höchstens bis zu 40 Prozent ausgelastet, teilt die S-Bahn-Berlin in detailreichen Zahlenkolonnen dem Senat auf Engelmanns Anfrage hin mit.

Die Ausführungen zu Zugausfällen liefert hier auch erstaunlicherweise wenig Auffälligkeiten.

Tatsächliche Verhältnisse

Mit diesem erfreulich gestalteten Zahlenbild kann die Abgeordnete der Linken, die ihre Anfrage mit ihrem Parteigenossen Antonio Leonhardt verfasste,  nur wenig anfangen.

Selbstgewählte Tages- oder Hauptlastmittelwerte sind von begrenzter Aussagekraft für die tatsächlichen Verhältnisse in Spitzenauslastungszeiten. Es ist daher kein Wunder, dass die  tatsächlichen Erfahrungen der Fahrgäste in Hohenschönhausen von den 
Antworten von BVG und S-Bahn abweichen“, erklärt sie.

Die Züge sind zu voll. Auf der S 75 kommt es auch häufiger zu Zugausfällen, insbesondere um Verspätungen und Ausfälle auf anderen Linien auszugleichen. Der Pünktlichkeit der S 75 scheint hierbei im Vergleich stets die geringste Priorität eingeräumt zu werden“, schildert Antonio Leonhardt seine eigenen Erfahrungen, die sich mit den Angaben von BVG und S-Bahn nicht decken.

Bessere Koordinierung

Besonderen Handlungsbedarf sieht Claudia Engelmann in der verbesserungswürdigen Koordination von BVG und S-Bahn.

Allein ihre Frage nach der Organisation von Fahrzeugausfällen offenbart schließlich eine grundsätzliche Systemschwäche des Verkehrsverbundes.

Die BVG räumt nämlich in der Senatsantwort ganz unverblümt ein, dass „keine grundlegenden Abstimmungen zwischen BVG und der S-Bahn bezüglich des Ausfalls einzelner Fahrten auf der S75“ stattfänden. Solche Maßnahmen ergreife man erst bei größeren Baumaßnahmen.

Das muss sich ändern, meint die Abgeordnete der Linken: „Die beiden Anbieter bilden einen Verkehrsverbund. Die Kommunikation und Koordination zwischen beiden Verkehrsunternehmern muss verbessert werden. Ausfälle und Störungen im Netz sind gegenseitig abzufedern.

Mit der Ausschreibung von Teilnetzen der Berliner S-Bahn droht sich die aktuelle Situation noch zu verschärfen. Ein Handeln nach der Devise „jeder macht seins“ schadet der Qualität des Angebots und macht die Benutzung des ÖPNVs weniger attraktiv“, erläutert Claudia Engelmann das Fazit ihrer Senatsanfrage.

Kostengünstige Alternative geplant

Für die Anbindung von Hohenschönhausen sei es zunächst wichtig, dass die S 75 wieder 
durchgängig nach Wartenberg durchfahre.

Die S 75 dürfe nicht mehr nur Lückenbüßer sein und bei Störungen im Netz als Erstes ausfallen, um  den Gesamtfahrplan wieder „ins Lot“ zu bringen. „Bei den Straßenbahnen müssen die Takte verdichtet und längere Züge eingesetzt werden.

Zudem müssen auch außerhalb des S-Bahn-Rings alle Buslinien mindestens im 10 
Minuten-Takt verkehren“, lautet ihre Forderung.

Grundsätzlich sei es wichtig, die schnellste und kostengünstigste Alternative für die Anbindung der Außenbezirke auszuwählen.

Ein massiver Ausbau des Straßenbahnnetzes sei dabei sehr wichtig. Erst in einem zweiten Schritt sollte perspektivisch über neue U-Bahn-Linien und einen neuen S-Bahn-Außenring nachgedacht werden. 

Text: Stefan Bartylla