Das Land Berlin kauft gut 15.000 Wohnungen von den Immobilienriesen Deutsche Wohnen und Vonovia zurück. Bei dem milliardenschweren Deal sind allerdings noch viele Fragen offen.
Die Ankündigung des Landes Berlin, 14.754 Wohnungen der privaten Großvermieter Vonovia und Deutsche Wohnen zu kaufen und damit zurück in öffentliches Eigentum zu überführen, hat für ein großes Echo gesorgt. Kein Wunder, schließlich wird Berlin voraussichtlich rund 2,4 Milliarden Euro für die Objekte hinlegen, die einst dem landeseigenen Wohnungsunternehmen GSW gehörten.
Hinzu kommen rund 50 Millionen Euro für 200 Wohnungen einer zweiten Tranche. Und das alles, während ganz Berlin über den für den 26. September angesetzten Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungsunternehmen wie der Deutsche Wohnen diskutiert. Die drei landeseigenen Gesellschaften Berlinovo, Howoge und Degewo sollen den Kauf abwickeln. Deren Aufsichtsgremien gaben bereits grünes Licht.
Offene Fragen zum Verkauf
Und doch sorgt der „Wohnungsdeal“ nicht für die Aufmerksamkeit, die man sich in Senatskreisen gewünscht hätte. Aus dem Abgeordnetenhaus hagelte es Kritik an der Informationspolitik von Finanzsenator Matthias Kollatz. Der SPD-Politiker hatte zuvor einige Mitglieder des Hauptausschusses „vertraulich“ über Details der Verhandlungen mit Deutsche Wohnen und Vonovia unterrichtet. Eine öffentliche Präsentation blieb im Landesparlament bislang aus.
Aus der CDU-Fraktion kamen deutliche Worte. Die Abgeordneten Heiko Melzer und Christian Gräff erklärten: „Dieser Milliardendeal darf nicht nur in Hinterzimmern abgewickelt werden. Er gehört auf den Parlamentstisch mit angemessener Beteiligung und Beratung. Dann kann auch ernsthaft beurteilt werden, ob der Kauf sinnvoll ist oder nicht.“ Für die Mieter stehe viel auf dem Spiel, so Melzer und Gräff in einer gemeinsamen Mitteilung. Offen seien Fragen wie: Wie groß sind die Sanierungsrückstände im Bestand? Wie werden sich bei steigenden Zinsen und Modernisierungsbedarf die Mieten entwickeln, über die der Senat den Kauf finanzieren will?
Uneinigkeit in rot-rot-grüner Koalition
Auch innerhalb der rot-rot-grünen Koalition wird Kollatz’ Vorgehen kritisch gesehen. „Einen Erwerb von Wohnimmobilien in dieser Größenordnung dürften der Senat und die Gremien der städtischen Gesellschaften nicht im Alleingang entscheiden“, so die Linken-Abgeordneten Steffen Zillich und Michail Nelken. „Für alle beteiligten landeseigenen Wohnungsunternehmen ist ein Ankauf in dieser Dimension eine strategische Entscheidung, die nicht ohne Zustimmung des Eigentümers getroffen werden kann.“
Sie habe erhebliche Auswirkungen auf die Eigenkapitalsituation, die Verschuldung, die zukünftige Investitionsfähigkeit und die Planung der Einnahmeentwicklung, also insbesondere der Mieten. „Wir erwarten, dass der Senat kurzfristig die zuständigen Ausschüsse des Abgeordnetenhauses mit dem geplanten Ankauf befasst.“ Ähnlich äußerten sich die Grünen.
Torsten Schneider von der SPD-Fraktion stellte sich hinter den Senator. Der Ankauf sei einer der größten Erfolge der laufenden Legislaturperiode. Er sehe keine Anhaltspunkte für finanzielle Probleme der landeseigenen Wohnungsunternehmen. „Ich kenne nur stille Reserven und bin der Auffassung, man könnte aus den Wohnungsbaugesellschaften zumindest rechnerisch eine Milliarde abziehen“, so Schneider gegenüber dem „Berliner Kurier“.
Verwaltungsgericht erzwingt Auskunft
Die Senatsverwaltung beruft sich bei ihrem Vorgehen auf die laufenden Verhandlungen. „Sobald diese abgeschlossen sein werden, wird das Abgeordnetenhaus über das Vertragswerk in Kenntnis gesetzt“, so ein Sprecher gegenüber dieser Zeitung. „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass seitens des Parlaments in diesem Fall keine Zustimmungserfordernis besteht. Gleichwohl ist der Senatsfinanzverwaltung Transparenz wichtig.“ Der Ankauf werde nicht vom Land Berlin getätigt, sondern von den Landesgesellschaften Howoge, Degewo und Berlinovo. In diesem Zusammenhang seien vertrauliche Verhandlungen zwischen der Verkäufer- und Käuferseite durchaus üblich.
Damit kommt die Senatsverwaltung allerdings nicht durch. Zum Wochenbeginn entschied das Verwaltungsgericht auf dem Wege einer einstweiligen Anordnung, dass die Behörde Auskunft über Details des geplanten Ankaufs geben muss. Die Richter gaben damit einem Antrag der Transparenzplattform FragDenStaat statt, die das Verfahren angestrengt hatte, berichten verschiedene Medien.
Der Sanierungsbedarf ist unklar
Dass der Ankauf umstritten ist, hat aber auch andere Gründe. Zum Beispiel, dass Berlin viel mehr für die Wohnungen bezahlen soll, als es 2004 beim Verkauf erzielt hat. Medienberichten zufolge flossen für 65.000 Wohnungen der GSW 405 Millionen Euro. Außerdem häufen sich Hinweise, dass ein Großteil jener knapp 15.000 Wohneinheiten stark sanierungsbedürftig oder asbestbelastet sein soll. Die Wohnungen verteilen sich auf alle Berliner Bezirke. Die größten Brocken entfallen auf Spandau (3.408 Wohnungen), Steglitz-Zehlendorf (2.464), Neukölln (2.009), Reinickendorf (1.751), Friedrichshain-Kreuzberg (1.566), Marzahn-Hellersdorf (1.217) und Lichtenberg (1.088).
Wo genau diese Wohnungen liegen, ist nur zum Teil bekannt. Laut vom Senat bestätigten Presseberichten geht es um Objekte in der Thermometersiedlung in Lichterfelde Süd und in der Großsiedlung im Falkenhagener Feld in Spandau. Hinzu kommen Bestände rund um das Kottbusser Tor in Kreuzberg, in der High-Deck-Siedlung in Neukölln sowie am Ernst-Lemmer-Ring in Zehlendorf.
Datum: 15. September 2021, Text: Nils Michaelis, Bild: IMAGO/Sabine Gudath