Vom zweiten Corona-Winter ist wegen der hohen Infektionszahlen wenig Gutes zu erwarten. Die Zweifel am Umgang der Politik mit der Pandemie wachsen.
Seit dieser Woche gelten in Berlin verschärfte Corona-Vorschriften. Ungeimpfte müssen private Kontakte beschränken. Treffen sind nur im Kreise der Angehörigen eines Haushalts mit bis zu zwei Personen eines weiteren Haushaltes gestattet. Kinder sind von dieser Regel ausgenommen.
Zugang zu Behörden gibt es nur unter der 3G-Bedingung. Weihnachtsmärkte dürfen nur unter der erweiterten 2G-Maßgabe öffnen: Besucher müssen geimpft oder genesen sein und Maske tragen.
Kein Vertrauen
Viele fragen sich allerdings: War es das schon? Genügen ein Quasi-Lockdown für die Ungeimpften und ein paar strengere Regeln für den Rest, um die vierte Welle zu brechen? Oder steht uns angesichts der konstant hohen Corona-Zahlen erneut ein Lockdown für alle bevor?
Der amtierende Berliner Senat wie auch die Bundespolitik vermittelten zuletzt weder Klarheit noch Vertrauen. Das hat auch mit der monatelangen Regierungsbildung im Land wie im Bund zu tun.
Anstelle einer lang- oder zumindest mittelfristigen Perspektive werden kleinteilige Maßnahmen diskutiert und nicht selten schlecht kommuniziert. So kündigte der Senat in dieser Woche ein Regelwerk an, das Essen und Trinken (im Sitzen) in Lokalen weiterhin möglich machen, „ungeordnete Kontakte“ (im Stehen) hingegen unterbinden soll.
Gefährliche Omikron-Variante
All das, was in den letzten Wochen beschlossen wurde, dürfte kaum genügen, um uns gut durch den zweiten Corona-Winter zu bringen, zumal im Zeichen der neuen, weitaus ansteckenderen Omikron-Variante. Man hat den Eindruck, die Politik verschläft die vierte Corona-Welle.
Nun gut: Politiker können nicht zaubern. Und eine Pandemie lässt sich nicht planen. Mit einer besseren Kommunikation wäre aber schon viel getan. Die Menschen wüssten gerne, welche, zumal realistischen, Ziele die Politik ansteuert.
30 Millionen Impfdosen
Olaf Scholz hat noch vor seiner Wahl zum Bundeskanzler verkündet, dass bis Weihnachten 30 Millionen Impfdosen verabreicht werden sollen. Experten halten allerdings nur eine halb so hohe Zahl für machbar.
Kaum Fortschritte gibt es bei denen, die sich nicht impfen lassen wollen oder können.
Die neue Ampel-Koalition hat in dieser Woche die bundesweite Vorschrift auf den Weg gebracht, dass Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen künftig eine Corona-Impfung oder den Genesenenstatus nachweisen müssen: allerdings erst ab dem 15. März!
Warten auf Kinder-Impfung
Von einer allgemeinen Impfpflicht war bis zum Redaktionsschluss erst gar nicht die Rede. Für fünf- bis elfjährige Kinder empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) nur dann eine Corona-Impfung, wenn sie Vorerkrankungen aufweisen oder Kontakt zu Risikopatienten haben.
Für eine weiterreichende Empfehlung müsse man weitere Daten auswerten, so die Stiko. Und das dauert natürlich. Angesichts der hohen Inzidenzen gerade in Schulen ist dieses Vorgehen umstritten.
Kritiker wenden schon lange ein, dass es in einer Pandemie nicht tragbar sei, bereits zugelassene Impfstoffe erneut durch ein ehrenamtlich tätiges Gremium überprüfen zu lassen. Jeder sollte wissen: Die Zeit drängt.
Text: Nils Michaelis, Bild: IMAGO/snapshot