Mehr als fünf Jahre nach einem fehlgeschlagenen Auftragsmord in Berlin steht ein Mann vor Gericht, bei dem es sich um eine Führungsfigur des sogenannten Balkan-Kartells handeln soll. (Foto aktuell)
Mehr als fünf Jahre nach einem fehlgeschlagenen Auftragsmord in Berlin steht ein Mann vor Gericht, bei dem es sich um eine Führungsfigur des sogenannten Balkan-Kartells handeln soll. (Foto aktuell) Foto: Hannes P Albert/dpa

Berlin (dpa/bb) – Nach einem fehlgeschlagenen Auftragsmord vor mehr als fünf Jahren schweigt der mutmaßliche Drahtzieher im Prozess vor dem Berliner Landgericht. Bei dem 34-Jährigen soll es sich um eine Führungsfigur des sogenannten Balkan-Kartells handeln. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten versuchten heimtückischen Mord vor. Die beiden Anwälte wiesen die Vorwürfe zu Prozessbeginn in einer Verteidiger-Erklärung zurück. Ihr Mandant sei «keinesfalls an der beabsichtigten Tötung eines Menschen beteiligt gewesen», erklärten die Anwälte. 

Der serbische Staatsangehörige soll im Februar 2020 einen Anschlag auf ein Führungsmitglied einer gegnerischen Gruppierung in Berlin geplant und organisiert haben. Ein Mittäter habe in Charlottenburg zwei Schüsse abgefeuert. Dem Attackierten sei es gelungen, sich unverletzt in einen Hauseingang zu retten. 

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Zwei Wochen später soll der in Berlin entkommene Mann allerdings in Montenegro bei der Explosion einer Autobombe ums Leben gekommen sein. Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden rivalisierenden Gruppen sollen nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) wechselseitig zu über 80 Morden und Mordversuchen geführt haben.

Kritik der Verteidiger

In einer Verteidiger-Erklärung kritisierten die Anwälte das Verfahren. Ihr Mandant sei nicht der «Mafia-Boss», als der er von der Staatsanwaltschaft dargestellt werde. Er sei in seiner Heimat «Zielscheibe einer Rufmordkampagne» und zu einem «Bauernopfer in einem größeren politischen Spiel» geworden. Die deutschen Behörden hätten «ohne kritische Nachfragen» gegen ihren Mandanten ermittelt. 

Die Schüsse in Berlin lösten zunächst keine Ermittlungen aus. Der Verdacht eines versuchten Auftragsmordes habe sich erst nach der Auswertung von Nachrichten beim verschlüsselten Messengerdienst Sky ECC ergeben, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Im November 2021 hätten Beamte des BKA Daten aus den Chats des kanadischen Anbieters erhalten, hieß es. 

Verdacht auf Beteiligung an acht Morden

Bei dem Angeklagten handelt es sich aus Sicht von Europol um einen Verdächtigen der Organisierten Kriminalität, der eine Führungsposition innerhalb krimineller Gruppierungen hat. Laut Staatsanwaltschaft hatten gemeinsame Ermittlungen mit dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden zur Festnahme des Mannes am 18. Oktober 2024 in Barcelona geführt. Mitte März war er nach Deutschland ausgeliefert worden. Laut Behörden ist er unter anderem wegen der mutmaßlichen Beteiligung an acht Morden auch von Österreich, Kroatien, Montenegro und Serbien zur Fahndung ausgeschrieben.

Die Verteidiger erklärten weiter, im Prozess werde die Frage nach der Herkunft und Authentizität der Chats ein zentraler Punkt sein. Es sei zu klären, wer die Daten entdeckt, bearbeitet, analysiert und weitergeleitet habe. Die Anwälte kündigten zudem an, sie würden sich um den Status internationalen Schutzes für ihren Mandanten bemühen. Er könne nicht zurückkehren nach Serbien – «denn er würde dort, unabhängig davon, ob er sich in Haft oder auf freiem Fuß befindet, keinen einzigen Tag überleben», so die Verteidiger. Der Prozess wird am 17. Juni mit ersten Zeugen fortgesetzt.