Die Berliner Freiwilligentage werben ab dem 9. September für gesellschaftliches Engagement. Freiwilligenzentren und andere Anlaufstellen beantworten die Frage: Welches Ehrenamt passt zu mir?
Der Einsatz für Menschen nimmt mitunter überraschende Formen an. Robert Ringel arbeitet in der „Lebendigen Kiezbibliothek“ in Schöneweide mit. Dort werden Menschen zu „Büchern“. Sie werden eingeladen, ihre Geschichte zu erzählen, weil sie sonst niemand hört. Das Angebot richtet sich besonders an Zuwanderer und Menschen mit einer ostdeutschen Biografie. Ringel hilft bei der Organisation. „Ich höre spannende Geschichten, die ich sonst nie kennenlernen würde“, beschreibt er den Gewinn für sich selbst.
Es ist eines von vielen Beispielen dafür, wie vielseitig und bedeutsam das Ehrenamt ist. In Teilen ist es eine verborgene Welt. Die Berliner Freiwilligentage machen sie sichtbar. Vom 9. bis 18. September können die Berliner in vielerlei Bereiche der Freiwilligenarbeit hineinschnuppern. In der ganzen Stadt bieten Verbände und Organisationen Mitmachaktionen an, in diesem Jahr unter dem Motto „Nachhaltigkeit“.
Vielseitig engagiert
Viele Volunteers haben ihren Weg ins Ehrenamt über bezirkliche Freiwilligenagenturen oder Freiwilligenzentren gefunden. Zum Beispiel über das Freiwilligenzentrum Sternenfischer in Treptow-Köpenick. So erging es auch Robert Runge. Für sein Engagement wurde er im August als „Stern des Monats“ ausgezeichnet.
Im Monat davor wurde Aissatou Friedrich gewürdigt. Sie engagiert sich gegen Rassismus, indem sie einen Treff für die afrikanische Community organisiert oder Supermarktkräfte für fremdenfeindliches Verhalten sensibilisiert. Leonie, Rosa und Hannah, die „Sterne des Monats“ vom Mai, helfen Geflüchteten aus der Ukraine. Mit dem Verkauf von Stoffbeuteln finanzieren sie praktische Hilfe im Alltag.
Klaus-Dieter Rühling (Foto oben links) macht sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung stark. Im Rahmen des Arbeitskreises Mobilität Friedrichshagen kämpft er dafür, Barrierefreiheit in Geschäften durch mobile Rampen zu schaffen. Sein seit vielen Jahren währendes Engagement wurde ebenfalls mit einem „Stern“ geehrt.
Tag der offenen Tür
„Ohne das ehrenamtliche Engagement würde diese Stadt nicht funktionieren“, sagte Ute Clausner, die Leiterin des Freiwilligenzentrums. „Die Freiwilligen im Rahmen der Ukraine-Hilfe zeigten und zeigen dies.“ Am 12. September, von 15 bis 19 Uhr, veranstaltet die Einrichtung einen Tag der offenen Tür.
Clausner weiß, dass es nicht nur darauf ankommt, Menschen fürs Ehrenamt zu gewinnen, sondern auch, sie möglichst lange daran zu binden. So moniert sie, dass etwa der Einsatz für Geflüchtete nicht ukrainischer Herkunft deutlich nachgelassen habe.
„Wir unterstützen Freiwillige in allen Fragen ihres Engagements, organisieren Fortbildungen und würdigen ehrenamtliche Arbeit regelmäßig mit Dankeschön-Events“, beschreibt sie die Strategie ihres Hauses. Am Anfang komme es darauf an, den Interessierten eine Tätigkeit zu vermitteln, die ihren Wünschen und Möglichkeiten entspricht.
Anerkennung zählt
Ähnlich läuft es bei der Berliner Stadtmission. Der evangelische Verein ist für seinen Dienst an Obdachlosen bekannt, widmet sich aber auch vielen anderen Themen. Rund 1.800 Ehrenamtliche unterstützen seine Arbeit.
„Es ist sehr wichtig, Ehrenamt nicht als Einbahnstraße zu betrachten“, sagt Pressesprecherin Barbara Breuer. „Wer sich engagieren möchte, bringt eigene Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen mit. Sollen die Helfenden bei ihrem Einsatz nicht enttäuscht werden und gerne wiederkommen, muss das Ehrenamt gut gemanagt werden.“
Es gehe aber auch um Anerkennung. „Damit die Menschen ein Projekt langfristig ehrenamtlich unterstützen, sollten sie ihre Tätigkeit als sinnhaft erleben und ihr Einsatz muss gesehen werden.“ Deshalb lege die Berliner Stadtmission großen Wert darauf, sich regelmäßig bei den Ehrenamtlichen zu bedanken – wie in diesem Jahr beim Ehrenamtsfest.
Zivilcourage zeigen
Im Rahmen der Freiwilligentage veranstaltet „Learning by doing“, das Begleitprogramm der Stadtmission, am 10. September einen Kiezspaziergang zu Orten in Spandau, wo rassistische und diskriminierende Vorfälle stattgefunden haben. Dabei gehe es darum, Zivilcourage zu zeigen, heißt es in einer Ankündigung. Die Tour beginnt um 14 Uhr an der Streitstraße 23.
Weitere Informationen zu den Berliner Freiwilligenagen gibt es online.
Text: Nils Michaelis