Berlin (dpa/bb) – Mit einer Mischung aus Erleichterung und Freude schrie sich Herthas Fabian Reese die Freude aus dem Leib. Unmittelbar nach dem Abpfiff herzte er Mitspieler Luca Schuler, der mit seinem 3:1 gegen den Karlsruher SC den ersten Heimsieg seit Oktober gesichert hatte.
Für Reese selbst, der fast die komplette Hinrunde verletzt verpasste, war das Warten sogar noch länger. «Ich glaube, mein letzter Heimsieg hier war auch ein 3:1 gegen Kaiserslautern. Das ist fast ein Jahr her, viel zu lange», sagte der 27-Jährige, der mal wieder Herthas bester Mann war. «Tun wir was dafür, dass wir es öfter noch in dieser Saison erleben können.»
Sein Doppelpack brachte die Berliner in Führung. Den zweiten Treffer bejubelte der Fan-Liebling vor der Ostkurve und verneigte sich wie üblich vor seinem Publikum.
Lichtblicke in trüber Hertha-Saison
Mit den ersten beiden Siegen unter Neu-Trainer Stefan Leitl haben sich die Berliner im Abstiegskampf etwas Luft verschafft. Für Entwarnung ist es in dieser verkorksten Hertha-Spielzeit aber noch zu früh. Zu oft folgten auf Erfolgserlebnisse heftige Rückschläge.
Hertha dürfe sich «nicht blenden lassen, weil wir jetzt zwei Spiele gewonnen haben, sondern genauso weitermachen, wie wir es seit dem Spiel gegen Schalke gemacht haben», sagte Sportdirektor Benjamin Weber. Am kommenden Samstag geht es zu Tabellenführer Köln. Dann warten die direkten Konkurrenten aus Darmstadt und Ulm.
«Er ist für uns der wichtigste Spieler momentan», sagte Mittelfeldspieler Diego Demme über Reese. Dabei sieht sich der Angreifer noch nicht einmal bei voller Leistungsfähigkeit. Er sei bei 85 Prozent, schätzte Reese nach etwas Überlegen. Tendenz aber deutlich steigend.
Rückkehr mit Wucht – Reese blüht auf
Seit rund sieben Wochen ist Reese wieder im Team – nach neun Monaten ohne Startelfeinsatz. «Ich glaube, das ist schon eine ganz schöne Reise», betonte der Offensivspieler. Fast die komplette Hinrunde verpasste er verletzt und musste mit ansehen, wie die Hertha nie ernsthaft um den ersehnten Aufstieg in die Bundesliga mitspielen konnte.
«Wenn man acht Monate raus ist und in den Medien immer liest: “Ja, wenn er wiederkommt, wird sich alles ändern.” Das ist natürlich auf jeden Fall ein großes Lob, aber trotzdem auch sehr viel Druck», sagte Reese. Er habe sich auch selbst mehr Zeit geben müssen. Sechs Tore machte er jetzt in den vergangenen sechs Spielen. Ein Torgarant, den Hertha so lange nicht hatte.
Auf die Frage, was mit einem fitten Reese möglich gewesen wäre, wollte sich Weber nicht einlassen: «Das bringt ja nichts.» Und zur Wahrheit gehört auch, dass die Torquote bei weitem nicht das einzige Berliner Problem in dieser Spielzeit ist. Auch gegen den KSC kassierte die Mannschaft den schnellen Anschluss und wackelte kräftig. Doch unter Leitl ist die Resilienz offenbar gewachsen.
Leitl findet neue Rolle für Angreifer
Dabei schadet es offenbar nicht, dass er Reese nicht auf dem Flügel, sondern in der Sturmspitze aufbietet. «Das ist eher meine B- oder C-Position, würde ich sagen», findet Reese selbst, aber sieht auch den Erfolg. «Ich kann mich nicht beklagen. Ich werde da spielen, wo der Trainer mich aufstellt.»
Reese sei als Stürmer nicht so in Defensivaufgaben eingebunden wie auf dem Flügel, erklärte Leitl, der Reese bereits aus Fürth kennt. «Heute hat er gesagt, dass ich es ordentlich gemacht habe, ihn dort hinzustellen», sagte Leitl mit einem Lächeln.
Der Trainer hob auch die Kaltschnäuzigkeit des 27-Jährigen vor dem Tor hervor. Beim 1:0 wägte er mit viel Geduld seine Optionen ab, ehe er den Ball ins Tor wuchtete. Den zweiten Treffer lupfte er ebenso überlegt cool ein. Das Ergebnis akribischer Trainingsarbeit.
«Ich glaube, es gibt ganz viele Spieler, die deutlich talentierter sind als ich, die viel mehr Fähigkeiten haben», sagte Reese. «Ich glaube, meine größte Fähigkeit ist mein Fleiß, ist meine Professionalität rund um den Fußball.»
Ein Abschied aus Berlin im Sommer bleibt angesichts von Reeses Ambitionen und Herthas finanziellen Zwängen wahrscheinlich. Bis dahin will der 27-Jährige noch möglichst oft im Olympiastadion jubeln.