Ein Westberliner Paar erlebte die Grenzöffnung in Pankow.
Christian Mehley und Hannelore Behrendt lebten damals in Westberlin, verbrachten den Abend aber bei ihren Freunden in Pankow.
Wir, die Westberliner Hannelore und Christian Behrendt, haben uns für diesen Abend die Passierscheine besorgt – rechts der Müllerstraße in der Baracke und sind gegen 17 Uhr zum Übergang Bornholmer Straße gefahren. Es folgte die übliche Kontrolle der Papiere, des ausgefüllten Zollscheins, der mitgeführten Sachen. Wir bezahlten pro Person 25 Mark ,Eintritt’ in die DDR und konnten eigentlich schnell und ungehindert ohne weitere Schikanen nach Ost-Berlin in den Bezirk Pankow einreisen. So nannten die DDR-Grenzer das damals.
Immerhin kamen wir aus der „Selbstständigen politischen Einheit Westberlin“. Gleich hinter der Grenze fiel mir damals schon auf, dass einige Menschen aus Ost-Berlin vor dem Intershop standen und uns zuwinkten. Das war sonst bei Besuchen in Ostberlin nicht üblich. Die Stasi hat alle in der Nähe der Grenze verjagt.
Wir fuhren weiter die Bornholmer Straße runter bis zur Hochbahn, dann links Richtung Pankow. Unsere Bekannten wohnten Ecke Grabbeallee, dort wo die Panke die Schönholzer Straße unterquert.
Gegen 23 Uhr klingelte das Telefon und ein anderer Freund aus Ostberlin rief an und fragte, ob wir schon ,drüben’ waren? „Nee, drüben, was ist los?“ Na, an der Bornholmer Straße sei die Grenze offen. Überraschung spiegelte sich auf allen Gesichtern und wir entschieden: Da fahren wir hin! Also stiegen wir alle in meinen großen Nissan und fuhren Richtung Bornholmer Straße. Bald schon bemerkten wir die Menschenmassen, die sich ebenfalls in Richtung Brücke bewegten. Da wäre ich schwerlich durchgekommen. Ich fuhr also über die Straßenbahn-Schienen in die Gegenrichtung, denn da kamen mir keine Autos entgegen. Liebevoll klopften die Menschen auf das Autodach und wir erreichten die Grenze gegen 24 Uhr. Der Vopo-Grenzer schaute verblüfft und sagte tatsächlich zu mir: „Wenn Sie rüber nach Westberlin wollen, machen Sie sich den Grenzbalken selber auf.“
Gesagt, getan und es ging für uns endlich weiter zum Kurfürstendamm ins Hotel Kempinski in die Bar zu Charly, wo es Champagner und andere Getränke aufs Haus gab. Es wurde eine lange Nacht. Und einen besonderen Wunsch hatte unser Freund Jürgen noch. Er wollte auf dem S-Bahnhof Wollankstraße, der nur von Westberliner Seite zugänglich war, in die Ostberliner Wollankstraße schauen, wo sich sein Laden damals befand.“
Datum: 8. November 2019, Text: Christian Mehley und Hannelore Behrendt, Bild: imago images / Camera4