Straßenbau, Bodenversiegelung und Gärten ohne Laub und Totholz nehmen dem Igel die nötigen Rückzugsorte. (Symbolbild)
Straßenbau, Bodenversiegelung und Gärten ohne Laub und Totholz nehmen dem Igel die nötigen Rückzugsorte. (Symbolbild) Foto: Armin Weigel/dpa

Berlin (dpa/bb) – Die Lage des Igels in Berlin ist nach Einschätzung von Helfern und der Landesbeauftragten für Tierschutz alarmierend – und ausgerechnet jetzt ist die Auffangstation in Berlin-Hermsdorf erneut überlastet.

Offiziell gibt es in der Station 55 Ställe. Zurzeit sind dort jedoch 80 Tiere untergebracht, zum Teil in Plastikkisten. «Mehr Platz haben wir nicht», sagte Gabriele Gaede vom Verein Arbeitskreis Igelschutz Berlin. 20 bis 30 weitere Tiere versorge das Team der Station bei sich zu Hause. Es sei nicht das erste Jahr, dass alle Plätze belegt seien.

Das sei jedoch nicht das einzige Problem: Es fänden sich kaum noch zuverlässige Ehrenamtliche, die in der Station helfen wollten. Und immer weniger Menschen seien bereit, ein Tier bei sich aufzunehmen. Die meisten würden die Tiere einfach nur in der Station abladen. 

Von Jahr zu Jahr würden mehr Tiere in der Station in Hermsdorf abgegeben. Dieses Jahr wurden dort schon 830 Igel aufgenommen, mehr als im vergangenen Jahr. Das liege auch daran, dass in diesem Jahr viele Jungtiere zur Welt kamen, sagte Gaede.

Igel erstmals auf Roter Liste

Nach Angaben der Berliner Landesbeauftragte für den Tierschutz, Kathrin Herrmann, hat die Deutsche Wildtier Stiftung den Igel zum Tier des Jahres 2024 gewählt, um auf seine Bedrohung aufmerksam zu machen. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat den westeuropäischen Igel erstmals als «potenziell gefährdet» in die internationale Rote Liste aufgenommen.

Vor dem Winter sei die Lage des Tieres besonders besorgniserregend. Viele Tiere, die in Hermsdorf abgegeben werden, seien krank, verletzt oder untergewichtig. Ein gesundes Gewicht von mindestens 600 Gramm ist entscheidend, damit ein Igel genügend Fettreserven für den Winterschlaf hat. Doch viele erreichen dieses Gewicht nicht, erklärte Herrmann. Kranke oder geschwächte Igel haben ein erhöhtes Risiko, den Winter nicht zu überleben.

Der Hauptgrund für die Pflegebedürftigkeit sei laut Herrmann der Verlust ihres natürlichen Lebensraums. Straßenbau, Bodenversiegelung, Insektensterben und «aufgeräumte Gärten», in denen Laub und Totholz entfernt würden, nähmen die nötigen Rückzugsorte und Nahrungsquellen. «Manche Gärten sehen aus wie aufgeräumte Wohnzimmer», fasste Gaede die Situation zusammen.

Auch der Rückgang von Insekten zwinge nach Angaben der Tierschutzbeauftragten viele Igel in die Nähe der Menschen, wo sie Gefahren wie Verkehr oder Verletzungen durch Gartengeräte ausgesetzt sind. Milde Winter und plötzliche Temperaturwechsel störten ihren Winterschlaf.

Helfer benötigen Hilfe

Eine genaue Zahl der Igel in Berlin ist laut Herrmann nicht bekannt. Beobachtungen und Studien zeigten jedoch, dass die Population in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist. 

Damit die Tiere gar nicht erst auf der Igelstation landen, benötige es klare Vorgaben für eine wildtierfreundliche Umgestaltung von Gärten und Grünanlagen. In allen Parks und Grünanlagen könnten zudem Schutzzonen eingerichtet werden, in die sich die Tiere zurückziehen können, wie im Treptower Park.

In der Igelstation gibt es die Überlegung, neue Räumlichkeiten anzumieten, um mehr Platz für die Tiere zu schaffen. Kurzfristig würden aber auch Futter- und Medikamentenspenden helfen, sagt Gabriele Gaede. Und Helferinnen und Helfer, die genug Zeit mitbringen, um sich um die Tiere zu kümmern.

Gartenbesitzer gefragt

Nach Ansicht von Kathrin Herrmann könnten Gartenbesitzer entscheidend dazu beitragen, den Tieren zu helfen. Unter anderem könnte diese Laub- und Reisighaufen liegen lassen, da diese ideale Winterquartiere böten. Auch könnten sie Futter bereitstellen, um untergewichtigen Tieren zu helfen. Und Mähroboter sollten nur tagsüber und unter Aufsicht zum Einsatz kommen.