Das Lichtenberger Bezirksamt will sich verstärkt dafür einsetzen, den Bahnhof Lichtenberg als Schwerpunkt für den Nachtzugverkehr zu etablieren. Zusätzliche Nachtzugverbindungen insbesondere in Richtung Osteuropa sollen den Bahnhof und dessen Umgebung auch wirtschaftlich aufwerten.
Mit dem Ausbau von Ostkreuz und Hauptbahnhof hat der Fernbahnhof im Lichtenberger Weitlingkiez deutlich an Bedeutung verloren. Das haben auch die Händler und Dienstleiter im näheren Umfeld des Bahnhofs zu spüren bekommen. Weniger Zughalte sorgen für weniger Fahrgäste und der Umsatz ist mit den Fahrplanumstellungen der vergangen Jahre hier deutlich gesunken. Im Bahnhof selbst gibt es seit einiger Zeit viele leerstehende Gewerbeflächen und die Schlangen am Taxistand haben sich im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verkürzt. Auch die Gewerbetreibenden im Umfeld spüren schmerzhafte Umsatzeinbußen.
Neue Ideen und Konzepte müssen her. Die lokale Lichtenberger Politik scheint nun ein passendes Nischenangebot für den einst so umstiegsstarken Fernbahnhof gefunden zu haben.
Forderung: Spezialisierung für den Fernbahnhof
„Die Nachfrage für das Reisen mit Nachtzügen nimmt wieder zu, weil es eine bequeme und umweltfreundliche Alternative zu Autofahrten und Flugreisen ist“, findet Marcel Otto, der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Lichtenberger Bezirksparlament. Seine Fraktion setzt sich derzeit dafür ein, dass genau der Bahnhof Lichtenberg mit der Spezialisierung für Nachtzüge eingerichtet werden könnte.
Die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz hat bereits in einer sogenannten Nachtzugkonferenz eine Studie mit dem Titel „Berlin als europäischer NachtzugHub?“ vorgestellt, in der der Stadt grundsätzlich ein großes Potenzial für zusätzliche Nachtzugverbindungen zugesprochen wird. “Ins Baltikum, nach Belgrad, Rom, Lyon und Oslo: Die Potenziale der deutschen Hauptstadt als Nachtzug-Hub sind groß”, heißt es in der Einleitung zu diesem Papier.
Gewaltiger Sprung zum entspannteren Reisen
„Wenn Berlin zum europäischen Zentrum und Drehkreuz für Nachtzüge würde, wäre das nicht nur ein Schritt, sondern es wäre ein großer Sprung Richtung Klimaschutz. Per Nachtzug in den Urlaub beziehungsweise ins Ausland zu fahren ist dabei nicht nur besser fürs Klima, sondern eine ganz andere, gesündere, entspanntere Form des Reisens”, befürwortet Senatorin Bettina Jarasch (Die Grünen / B´90) das Thema.
Die Studie zeige eindrucksvoll die Möglichkeiten für den Bahn-Fernverkehr, eine attraktive Alternative zum klimabelastenden Fliegen zu werden. Bequem und mit hohem Serviceangebot direkt von Zentrum zu Zentrum zu reisen, sei ein entscheidender Vorteil der Bahn. “Wir werden uns beim Bund intensiv dafür einsetzen, dass Berlin seine Chance nutzen kann, sich zu einem europäischen Nachtzugdrehkreuz zu entwickeln“, so Jarrasch.
Comeback vom “Tor zum Osten”
Der Lichtenberger FDP-Fraktionsvorsitzende, Rico Apitz gibt sich vorsichtig optimistisch, in diesem Konzept mit dem Bahnhof Lichtenberg eine bedeutendere Rolle spielen zu können. „Wenn es gelingt, die in der Nachtzugkonferenz identifizierten Hemmnisse zu beseitigen, steht der Bahnhof Lichtenberg mit seinem innenstadtnahen Standort und der bestehenden, aber nachts brach liegenden Infrastruktur bereit, um zumindest in der Nacht wieder das Tor zum Osten‘ zu werden“, formuliert Apitz das seine Hoffnungen.
Europäische Hindernisse
Im Moment verhindern in Europa noch die hohen Trassenpreise in Europa einen wirtschaftlich zu betreibenden Nachtzugverkehr auf der Mehrzahl aller Strecken. Auch die Verfügbarkeit Bestellung von Schlaf- und Liegewagen sei zu gering und müsse durch Förderprogramme zu unterstützt werden. Weitere Hemmnisse des Bahnverkehrs gäbe es an den Grenzen sowie im Ausbau des für Nachtzüge so wichtigen digitalen europäischen Signalsystems.
Die Studie zu zur Entwicklung eines europäischen Nachtzugnetzes bietet zwar einen guten Ausgangspunkt für notwendige weitergehende Schritte. sie versthet sich aber noch als ein erster Baustein für eine weiterführende Machbarkeits- und Potenzialanalyse für ein Nachtzugnetz von und nach Berlin. Bündelungen sind ein wichtiger Anhaltspunkt für eine höhere Wirtschaftlichkeit von Nachtzügen. Für verschiedene Zeithorizonte (2025+, 2030+, 2040) wurde in der Studie der Aktionsradius (abends einsteigen, vormittags am Ziel) auch anhand der in der EU geplanten Ausbauvorhaben und Schnellfahrstrecken berücksichtigt.
An der Videokonferenz-Tagung nahmen mehr als 150 Vertreter von Eisenbahnverkehrsunternehmen, Fahrgastverbänden, Industrie- und Handelskammern, zudem von Behörden aus Deutschland, Frankreich, Polen, Schweden, Norwegen, Österreich, den Benelux-Staaten sowie viele Abgeordnete teil.
Text: Stefan Bartylla, Bild: IMAGO / photosteinmaurer.com, IMAGO / Hohlfeld, IMAGO / Arnulf Hettrich