Berlin Baustellen
Noch ist offen, wer Berlin in den kommenden fünf Jahren regieren wird. Klar ist, dass auf den künftigen Senat viele Herausforderungen warten. Collage: iStock/Getty Images Plus/Daniela Baumann/Zephyr18

Berlin steht vor gewaltigen Herausforderungen. Und damit auch der künftige Senat. Was muss die neue Landesregierung zuerst anpacken? Wir hätten da ein paar Vorschläge.

Ob Gebäudesanierung oder Verkehrsprojekte: Dass es in der Stadt an vielen Stellen hakt, liegt auch an einer überforderten Verwaltung. Vielerorts fehlt Personal, mitunter aber auch eine angemessene technische Ausstattung, besonders in den Bezirken. Wer kann, wechselt von der Bezirksverwaltung zu Senats- und Bundesbehörden, vor allem wegen der besseren Bezahlung. Das Land Berlin muss diesen Teufelskreis stoppen und Jobs auf Bezirksebene attraktiver machen.

Zum Beispiel, indem bürgernahe Dienstleistungen konsequent digitalisiert werden. Das würde Freiräume für Entlastung schaffen. Auch die Bürger hätten etwas von einem „smarteren“ Service der Bürgerämter. Bislang läuft die Digitalisierung der Verwaltung zähflüssig. Bund und Länder haben sich im 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetz darauf verständigt, 575 Verwaltungsleistungen online anzubieten. Laut Senat sind derzeit 33 Dienstleistungen durchgängig digital nutzbar. Um Personallücken in Landes- und Bezirksbehörden zu stopfen, sollte die Hauptstadtzulage für Landesbedienstete auch über das Jahr 2025 hinaus gezahlt werden.

Bis 2030 werden 194.000 neue Wohnungen gebraucht

Damit Wohnen in Berlin auch für Gering- und Durchschnittsverdiener bezahlbar bleibt, müssen die landeseigenen Wohnungsunternehmen mehr und vor allem schneller bauen. Der „Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030“ des Senats geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 194.000 neue Wohnungen gebraucht werden, mindestens die Hälfte als gemeinwohlorientierter Wohnraum.

Doch bislang sieht es nicht so aus, dass diese Zahl tatsächlich erreicht wird. Das liegt auch an der Bürokratie: Bebauungsplanverfahren ziehen sich häufig über mehrere Jahre. Im vergangenen Jahr lag die Bauleistung der landeseigenen Unternehmen wie Gewobag oder Howoge bei 5.800 Wohnungen. Der Berliner Mieterverein fordert, dass die Anzahl der Wohnungen in Landeshand mittelfristig auf 500.000 erweitert wird. Derzeit liegt der Bestand bei rund 351.000. Außerdem setzt sich der Verein dafür ein, die Bezirke in die Lage zu versetzen, bau- und planungsrechtliche Aufgaben einer wachsenden Stadt besser und schneller zu bewältigen.

Mehr Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter für die Schulen

Lehrermangel, schlechter baulicher Zustand und fragwürdige Hygiene sind noch immer Alltag an vielen Berliner Schulen. Von der schleppenden Digitalisierung gar nicht erst zu reden. Mit 414 Millionen Euro bezifferte der Senat den Sanierungsstau an Schulgebäuden im August.

Berlin Verkehr Stau
Die Lösung der chronischen Verkehrsprobleme bleibt eine der dringendsten Aufgaben. Bild: IMAGO/Jürgen Ritter

Um die Lernbedingungen von Kindern gerade in benachteiligten Kiezen zu verbessern, fordert die Initiative „Schule muss anders“, mehr Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter auszubilden. „Wir bräuchten 3.000 Lehramtsabsolventen im Jahr“, so Sprecher Philipp Dehne. Offiziell seien es derzeit 2.000, tatsächlich aber 900. Dehne tritt dafür ein, das „Mangelsystem“ zu beenden und die Zahl von 3.000 Absolventen im künftigen Koalitions- und Hochschulvertrag festzuschreiben. „Nicht eine Verbeamtung von Lehrern, sondern bessere Arbeitsbedingungen stoppen die Abwanderung von Pädagogen“, sagt er.

Damit die Schulinfrastruktur mit dem Bevölkerungszuwachs Schritt halten kann, müssten Neubauvorhaben rascher umgesetzt werden. Dehne: „Manch eine Schule wird vierzügig geplant, hat am Ende aber tatsächlich sechs Klassen pro Jahrgang.“ Zudem müsse die Schulreinigung zurück in kommunale Hand. Acht von zehn Bezirksparlamenten unterstützen derzeit entsprechende Forderungen der Initiative Schule in Not, für die Dehne ebenfalls spricht. „Werden Schulen auf Dauer schlecht gereinigt, treibt das die Kosten für die Instandhaltung in die Höhe“, sagt er.

Keine einzige Straßenbahnstrecke wurde fertig

Berlins Verkehr neu erfinden: Mit diesem Anspruch trat Regine Günther (Grüne), Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, vor fünf Jahren an. Meist blieb es bei Ankündigungen. Umgesetzt wurden vor allem grüne Radfahrstreifen. Beim Ausbau des Nahverkehrs setzt Günther auf die Straßenbahn, doch in der gesamten Legislaturperiode wurde keine einzige neue Linie übergeben. Für Ende Oktober wird die Eröffnung einer neuen Strecke in der Wissenschaftsstadt Adlershof erwartet. Der künftige Senat sollte alles dafür tun, dass dringend benötigte Tram-, U- und S-Bahn-Verbindungen nicht nur gründlich geprüft, sondern auch möglichst schnell gebaut werden.

„Es gab einige partielle Verbesserungen insbesondere im Busverkehr“, bilanziert Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbandes IGEB, fünf Jahre Rot-Rot-Grün. „Aber summarisch ist die Bilanz verheerend. Wenn Bus und Straßenbahn in den letzten fünf Jahren langsamer geworden sind, dann kann man doch nur feststellen, dass viel zu wenig Augenmerk auf den ÖPNV gelenkt wurde.“

Bus und Bahn müssen schneller werden

„Wenn ich den Klimawandel ernst nehme, dann muss man alles tun, um Busse und Bahnen jetzt zu beschleunigen, damit immer mehr Menschen echte Alternativen zum Auto haben“, so Wieseke weiter. Gemeint ist eine „echte Bevorrechtigung für Bus und Tram auf der Straße in einem dichten Takt“. Und weiter: „Jeder Berliner sollte in unmittelbarer Nähe des Wohnortes ein attraktives Angebot vorfinden. Davon sind wir insbesondere im Tarifgebiet B noch weit entfernt.“ Mittelfristig müssen insbesondere im ehemaligen Westteil hochbelastete Bustrassen durch die Tram ersetzt werden, die Planungen sind aber noch nicht wirklich baureif.

Im Nahverkehrsplan des Senats ist ein flächendeckender Zehn-Minuten-Takt vorgesehen, auch bei Bussen. Aus Sicht von Wieseke braucht die BVG dafür allerdings mehr Fahrer, Busse und Betriebshöfe. 

Text: Nils Michaelis