In der Corona-Pandemie ist gut ausgebildetes Pflegepersonal gefragter denn je. Tatsächlich aber haben etliche Kliniken und Pflegeeinrichtungen große Schwierigkeiten, genügend Fachkräfte zu finden. Das liegt daran, dass vielerorts miserable Arbeitsbedingungen herrschen.
Überlastung durch Personalengpässe, schlechte Vereinbarkeit von Arbeit und Familie und nicht zuletzt die vergleichsweise schlechte Bezahlung sind nur einige Probleme. Während der ersten Coronawelle hat dieser chronische Missstand kurzzeitig Aufmerksamkeit genossen. Dem Beklatschen von Beschäftigten in „systemrelevanten“ Berufen sei Dank. Geändert hat sich für die meisten Beschäftigten seitdem gar nichts.
In zehn Jahren werden in Berlin rund 10.000 Vollzeitkräfte in der Kranken- und Altenpflege zusätzlich benötigt. Das prognostiziert das Deutsche Krankenhausinstitut laut einem Bericht der „Berliner Zeitung“. Der schon jetzt grassierende Fachkräftemangel könnte sich verschärfen. Wegen der vielen ungelösten Probleme kommen viele Auszubildende ins Grübeln, ob sie sich für den richtigen Beruf entschieden haben.
Nachwuchs sieht keine Zukunft in Pflegeberufen
Etliche der insgesamt 1.500 Auszubildenden bei den landeseigenen Kliniken von Charité und Vivantes haben sich der Berliner Krankenhausbewegung angeschlossen. Laut einer Umfrage der von der Gewerkschaft ver.di ins Leben gerufenen Gruppierung unter 300 Auszubildenden, über die die „Berliner Zeitung“ berichtet, kann sich die Hälfte von ihnen nicht vorstellen, nach dem Ende der Ausbildung dauerhaft in der Pflege zu arbeiten. Anders gesagt: 20 Prozent planen, nach der Ausbildung auszusteigen. 30 Prozent tendieren dazu.
Die Krankenhausbewegung will mit einem sogenannten Tarifvertrag Entlastung durchsetzen. Der soll verbindliche Personalvorgaben enthalten und einen Freizeitausgleich bei Unterbesetzung schaffen, gemessen in Belastungspunkten. Eine weitere Forderung: Alle Beschäftigten sollen nach den Vorgaben des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst entlohnt werden.
Tochterunternehmen zahlen geringere Löhne
„Die Beschäftigten der Vivantes-Tochterunternehmen haben geringere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen, als Beschäftigte, die die gleiche Arbeit in anderen städtischen Krankenhäusern oder als Beschäftigte mit Altverträgen machen“, teilt die Gewerkschaft hierzu mit. „Das ist ungerecht. Eine gute Patientenversorgung geht nur mit guten und fairen Löhnen und ausreichend Erholungszeit.“
Kritisch sieht ver.di darüber hinaus auch die Lage der Auszubildenden. 40 Prozent gaben laut der Umfrage an, häufig Tätigkeiten auszuführen, für die sie nicht ausgebildet sind. Sieben Prozent sagten, sie müssten dies immer tun. Elf Prozent der Befragten teilten außerdem mit, zu keinem Zeitpunkt den Eindruck zu haben, ausreichend auf die täglichen Herausforderungen vorbereitet zu sein. Nun hoffen viele, dass die Politik all die Probleme nach den bevorstehenden Wahlen endlich anpackt.
Datum: 19. August 2021, Text: Nils Michaelis/Christian Schwager, Bild: IMAGO/Christian Mang