Optionen zur Verkehrsentlastung der Berliner City bieten rund 23.000 offizielle Park-and-Ride-Plätze an den Berliner Stadtgrenzen. “Das sind aber noch viel zu wenig”, kritisiert der ADAC-Vorstand. Das Potenzial für Park-and-Ride-Lösungen sei immens.
Von den rund 220.000 Menschen, die jeden Tag nach Berlin zur Arbeit fahren, nutzen rund 150.000 ihr Auto. Trotz Corona und hoher Homeoffice-Quote hatten Berufspendler einen großen Anteil daran, dass die Staus auf Berliner Straßen im vergangenen Jahr in ungeahnte Rekordhöhen kletterten.
Insgesamt 35.000 Staukilometer wurden auf den Berliner Autobahnen gemessen und rund 20.000 Stunden lang galt ein Stauzustand auf irgendeiner der Berliner Schnellstraßen – A10, A100 und A115 belegten im bundesweiten Stau-Ranking auch 2020 die Spitzenplätze.
“Diese Staurechnungen gelten wohlgemerkt trotz Corona. In den kommenden Monaten werden wir dazu allein noch mit den Arbeiten am Dreieck Funkturm und an der Rudolf-Wissell-Brücke verschärfte Baustellensituationen im Stadtgebiet vorfinden. Da werden diese Zahlen noch einmal kräftig steigen”, sagt ADAC-Vorstandsmitglied Volker Krane.
Auch langfristig würden noch mehr Menschen aus beruflichen oder geschäftlichen Gründen zwischen Berlin und Brandenburg pendeln. Bauland ist in Brandenburg viel günstiger – Eigenheime sind dort noch bezahlbar. “Auch deswegen ist die Zahl der Pendler in den vergangenen 20 Jahren um fast 60 Prozent gestiegen”, so Krane, der jetzt gute Alternativen fordert, um die Bundesstraßen und Autobahnen auf dem Berliner Stadtgebiet wieder leerer zu bekommen.
Mehr Parkplätze am Stadtrand entlasten den Verkehr in der City
Optionen dazu bieten die 23.000 offiziellen Park-and-Ride-Plätze an den Berliner Stadtgrenzen. “Das sind aber noch viel zu wenig”, kritisiert der ADAC-Vorstand. Das Potenzial des Park-and-Ride Konzepts sei hingegen immens: In einer Mitgliederbefragung des Automobil-Clubs gaben 50 Prozent der Pendler an, dass sie bei einem entsprechenden Angebot verstärkt vom Auto auf den ÖPNV umsteigen würden. Kein Wunder: Rund 50 Minuten dauert die durchschnittliche Pendlerfahrt in das Berliner Stadtzentrum. Nutzt man als Pendler die Bahn, seien diese Fahrtzeiten um durchschnittlich 14 Minuten reduzierbar.
Qualitativ ließen die bestehenden Park and Ride – Anlagen ebenso einiges zu wünschen übrig. Dazu hatte sich der Berlin-Brandenburger ADAC in den vergangenen Monaten neun Plätze an verkehrsstrategisch wichtigen Punkten genau angesehen und diese bewertet. Lediglich eine einzige Anlage in Königs Wusterhausen wurde qualitativ mit gut bewertet.
Auch in puncto Information und Barrierefreiheit fand der ADAC deutliche Mängel. Immerhin mit guten ÖPNV-Anbindungen konnten die Parkplätze punkten: Fünf der neun untersuchten Anlagen verfügten über einen Bahnanschluss mit einer guten Taktung im Wartezeitenbereich von 15 bis 20 Minuten.
Die Einschätzung der vorhandenen Plätze fällt mangelhaft aus
Wesentlich schlechter fielen die Bewertungen zu Wegeführung, Beleuchtung und Beschilderung aus. „Ein Parkplatz, den man nicht findet, ist per se ein schlechter Parkplatz. Auch eine benutzerfreundliche, digitale Informations-Plattform und ein entsprechendes Leitsystem sollten für eine smarte Metropolregion eigentlich selbstverständlich sein“, sagt Volker Krane und fasst zusammen: „Aus unserer Sicht ist ein quantitativer und qualitativer Ausbau von Park-and-Ride-Anlagen an verkehrsrelevanten Plätzen in Berlin mehr als überfällig.”
Seine Forderung: Es sollte in den kommenden zwei Jahren mindestens eine Verdoppelung der Parkplatzzahl erfolgen, ansonsten steuere man mittelfristig auf einen Verkehrskollaps zu. Ein entsprechender Ausbau der Infrastruktur müsse dazu gar nicht so viel kosten.
Der Maßnahmenkatalog
Der ADAC hat dazu im Rahmen seiner Untersuchung entsprechende Standorte in strategisch günstiger Lage und mit guten Rahmenbedingungen identifiziert, die rasch um- oder ausgebaut werden könnten. „Wir sehen in der stiefmütterlichen Behandlung der Park-and-Ride-Angebote eine fatale verkehrspolitische Fehlsteuerung und fordern die Politik jetzt zum Handeln auf. Ein erster Schritt könnte die Gründung einer entsprechenden länderübergreifenden Betriebsgesellschaft sein, die das Thema mit politischer Rückendeckung und angemessenen Mitteln pragmatisch und zeitnah vorantreibt“, so Krane.
„Man muss es nicht nur wollen, sondern auch anpacken“, lautet sein Fazit. Er fordert dazu eine engere Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg im Rahmen eines Staatsvertrages sowie Gründung einer Betreibergesellschaft. Von den Bahngesellschaften wünscht sich der ADAC eine Optimierung der Taktung. “Ein ganz wichtiges Argument für eine bessere Nutzung der Park-and-Ride-Angebote, bietet natürlich auch der Preis. Eine Vergünstigung durch Einbindung von mehr dieser Stationen in die Tarifzone B des ÖPNV wäre wünschenswert”, schließt der ADAC-Vorstand seinen Forderungskatalog.
Datum 20. Februar 2021, Text: red/Stefan Bartylla, Bild: imago images/Frank Sorge