Physios brauchen viel Einfühlungsvermögen.
Aus etwa 206 Knochen besteht der menschliche Körper. Mehr als 650 Muskeln sorgen für Beweglichkeit, zusammen mit Gelenken, Sehnen und Bändern bilden sie den Stütz- und Bewegungsapparat des Menschen. Während die Sehnen Knochen und Muskeln verbinden, sichern und bewegen die Bänder die Gelenke. Für dieses vereinfacht dargestellte Gerüst des Körpers sind Physiotherapeuten zuständig. Sie greifen ein, wenn die Bewegung eingeschränkt und der Halt fehlt. Eine verantwortungsvolle Aufgabe: Deshalb verbringen angehende Physiotherapeuten das erste Jahr ihrer schulischen Ausbildung allein mit Theorie, bevor sie erstmals Hand anlegen.
Stationen kennenlernen
Friederike Busse hat vor drei Jahren ihre Ausbildung an der Physiotherapieschule des Universitätsklinikums Charité in Berlin begonnen. Seit dem zweiten Ausbildungsjahr ist sie morgens von 8 bis 11 Uhr auf den unterschiedlichen Stationen des Krankenhauses im Einsatz. „Alle sechs Wochen wechseln wir den Einsatzort, so lernen wir unterschiedliche Stationen kennen. Orthopädie, Chirurgie, aber auch die Innere Medizin, die Neurologie und Pädiatrie“, erzählt die 24-Jährige.
Nach dem Einsatz im Klinikum, geht es nachmittags zurück auf die Schulbank zur Vertiefung der fachlichen Grundlagen. Es ist der Mix aus Praxis und Theorie, der Friederike Busse gut gefällt. „Ich wollte immer etwas mit den Händen machen und nicht stupide nur am Computer sitzen.“ Gleichzeitig will sie ihren Kopf gefordert wissen, Eigenverantwortung übernehmen und hat auch beruflich gerne Kontakt zu Menschen. „Wir arbeiten mit den Patienten daran, dass sie wieder gesund werden. Wir ermuntern sie sich zu bewegen und helfen dabei, Lebensqualität wiederzugewinnen.“
Studium oder Ausbildung?
Im Anschluss an ein freiwilliges soziales Jahr in einer Reha-Klinik hat Busse zunächst ein Physiotherapiestudium begonnen – und schnell wieder abgebrochen. Als Mensch, der immer in Bewegung ist, war ihr das Studium zu theorielastig. Die Entscheidung, in die schulische Ausbildung zu wechseln, hat sie nicht bereut. Ihr liegt vor allem die Arbeit mit den Patienten. Etwa wenn sie schon am Tag einer Operation am Krankenbett erste Mobilisierungsübungen anleitet. In der Regel freuen sich die Patienten über die Arbeit mit den „Physios“. Je nach Persönlichkeit der Patienten müssen die Physios diese mehr oder weniger motivieren. Außerdem ist Einfühlungsvermögen gefragt, denn nach einer Krankheit oder einem chirurgischen Eingriff ist oftmals nicht nur der Körper der Patienten geschwächt, sondern auch die Seele.
Stark gefordert
Doris Rehdorf, Leiterin der Physiotherapieschule am Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe (BBG) achtet auch auf die seelische Verfassung ihrer Azubis. „An einem Universitätskrankenhaus wie der Charité hat man mit außergewöhnlichen Fällen zu tun. Unsere Schüler arbeiten auch mit Schwerkranken, bei denen unter Umständen nicht immer alles wieder gut wird“, sagt sie. Wer aber Neugierde, Entdeckerfreude und Analysefähigkeiten mitbringt, sei dort richtig. „Es kann etwas von Detektivarbeit haben, denn wir müssen Abweichungen erkennen“, so Rehdorf. Detektivische Fähigkeiten sind auch gefragt, wenn es um die Suche nach einer geeigneten Ausbildungsschule geht, denn die unterscheiden sich je nach Bundesland. Das Schulgeld wurde mittlerweile in Teilen Deutschlands abgeschafft, eine bundesweite Regel gibt es aber nicht.
Und nicht alle Azubis bekommen Gehalt. Seit dem vergangenen Jahr werden die Auszubildenden der an Universitätskliniken und kommunalen Krankenhäusern angeschlossen Schulen nach Tarif des Öffentlichen Diensts bezahlt. Wer im Jahr 2020 eine Ausbildung beginnt erhält im ersten Jahr 1015 Euro brutto im Monat, das Gehalt steigt stufenweise auf 1172 Euro monatlich im dritten Lehrjahr an.
Datum: 29. Mai 2020, Text: dpa, Bild: Christin Klose/dpa-mag