Die Grünen stoßen mit ihren Überlegungen zu einem Rückbau der Stadtautobahn A100 auf Widerstand. Der Koalitionspartner SPD reagiert ablehnend, die Wirtschaft ist entsetzt.
Anlass ist eine Äußerung der Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch beim Landesparteitag. Sie sagte über die Autobahn 100: „Statt über den Weiterbau sollten wir anfangen, über den Rückbau der A100 zu reden!“ Der Weiterbau zwischen dem Treptower Park und der Storkower Straße solle aus dem Bundesverkehrswegeplan verschwinden. Die Autobahn solle nicht gebaut werden.
Abschnitt nach Treptow soll 2024 eröffnet werden
Seit 2013 lässt der Bund den 16. Bauabschnitt zwischen Neukölln und Treptower Park bauen, die Kosten für die 3,2 Kilometer lange Trasse, die ausgerechnet an der sanierungsbedürftigen Elsenbrücke endet, werden mittlerweile auf 650 bis 700 Millionen Euro geschätzt. Inzwischen ist von einer Eröffnung Ende 2024 die Rede. Danach, so sieht es der Plan vor, soll bis zur Anschlussstelle Storkower Straße der Abschnitt 17 weitergebaut werden.
Der Rückbau sei eine „absurde und lebensfremde Idee“, noch dazu „wirtschaftsfeindlich“, heißt es aus der Spitze der SPD, die mit den Grünen koaliert. Das werde es mit den Sozialdemokraten bei einem möglichen neuen Koalitionsvertrag nach den Wahlen im Herbst nicht geben. Interessant ist aber, dass es von der SPD bei der Gelegenheit keine Aussage über einen möglichen Weiterbau der A100 gab. Das könne man „so oder so sehen“, hieß es.
Tatsächlich ist es eine Weile her, dass die A100 zuletzt ein echtes Streitthema in den wechselnden Berliner Regierungen war. Der Höhepunkt war erreicht, als 2011 eine mögliche rot-grüne Koalition an dieser Frage zerplatzte. Der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hatte seine SPD auf einen Pro-Autobahn-Kurs getrimmt. Für die Grünen ein No-Go. Also verbündete sich die SPD mit der CDU, und der 16. Bauabschnitt wurde in Angriff genommen.
Planung für 17. Bauabschnitt derzeit ausgeschlossen
Klaus Wowereit ist längst Geschichte. Auch in der SPD haben sich zwischenzeitlich, so scheint es, die Autobahnskeptiker durchgesetzt. Aber vielleicht war auch das Thema nicht mehr wichtig genug, um bei der Wahl 2016 eine rechnerisch mögliche autobahnfreundliche rot-schwarz-gelbe Koalition zu bilden. Stattdessen holten sich die Sozialdemokraten Linke und Grüne in den Senat. Und im gemeinsamen Koalitionsvertrag steht seitdem: „Die Koalition wird in dieser Legislaturperiode keinerlei Planungsvorbereitungen beziehungsweise Planungen für den 17. Bauabschnitt durchführen.“
Das wäre mittlerweile auch gar nicht mehr möglich, schließlich hat der Bund etwa die Planfeststellungsbehörde für die Autobahn, die das Für und Wider abwägen muss, an sich gezogen. Sehr zum Ärger des Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser (Linke). Er will, dass sich Berlin die Planungshoheit zurückholt. Mit dem Ziel, den Weiterbau zu stoppen. Also solle Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch jetzt Druck auf ihre Parteifreundin, Verkehrssenatorin Regine Günther, ausüben. Diese müsse „endlich ihren Widerstand dagegen aufgeben, beim Bund die Rückübertragung der Planfeststellungsbehörde an das Land Berlin zu beantragen“, so Meiser.
FDP: A100 entlastet die Berliner Innenstadt
Von einem Widerstand seitens der Senatorin gegen eine Rückübertragung der Planfeststellungsbehörde will man in der Senatsverkehrsverwaltung nichts wissen. Es bringe nur nichts, wenn man diese Stelle zurückerhalte. Schließlich müsste die Behörde objektiv nach Recht und Gesetz entscheiden, egal, ob sie an Land oder Bund angebunden ist. Der Weiterbau oder der Nicht-Weiterbau sei eine politische Entscheidung, sagt Senatorin Günthers Sprecher Jan Thomsen dazu. Es sei dabei schlicht „nicht vorstellbar, dass der Bund etwas baut, das das Land nicht will“.
Aber will das Land tatsächlich nicht? Die FDP will sehr wohl, sagt ihr Verkehrspolitiker Henner Schmidt. „Der Weiterbau der A100 ist nötig, damit der Durchgangsverkehr in Zukunft um die Innenstadt herumgeführt und diese so entlastet werden kann.“ Es mache keinen Sinn, wenn die A100 am Treptower Park im Stau ende, „nur mit dem nächsten Bauabschnitt entsteht eine entlastende Verbindung“.
Auch CDU-Generalsekretär Stefan Evers sagt, wer den Autoverkehr aus der Innenstadt heraushalten wolle, brauche die A100. „Sie ist eine der wichtigsten Verkehrsschlagadern der Stadt und nicht zuletzt für den Wirtschaftsstandort unabdingbar.“
IHK fordert Alternativen für Pendler
In den Augen der Industrie- und Handelskammer (IHK) bündele „die ausgebaute A100“ die Verkehrsströme, die für die Ver- und Entsorgung der Metropole notwendig seien, so Geschäftsführer Jörg Nolte. „Statt bestehende und geplante Strecken infrage zu stellen, wäre es zielführender, praktikable und überzeugende Alternativen zum Kraftfahrzeugverkehr – etwa für Pendler – zu entwickeln und auch umzusetzen“, so der Wirtschaftsmanager.
Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung der Berliner Zeitung.
Datum: 3. April 2021, Text: Elmar Schütze, Bild: Nils Michaelis