Spannendes Rennen, Volksfest und Sportspektakel an Pfingsten auf dem Flughafen Tempelhof.
Spannender Wettkampf, Kaiserwetter, Volksfeststimmung: Die Formel E hat am Pfingstwochenende etliche Fans begeistert – pardon: elektrisiert. Der erste Heimsieg eines deutschen Fahrers auf dem 2,3-Kilometer-Rundkurs am Flughafen Tempelhof dürfte da sicher eine Rolle gespielt haben. Was die Rennserie aber zu etwas ganz besonderem macht, ist etwas weniger Greifbares: Der Pioniergeist, der hier zu spüren ist.
Wenn die Formel E-Karawane in die Stadt kommt, wirkt das auch etwas improvisiert. Die Boxengasse besteht aus Zelten, die Rennstrecke wird nur temporär eingerichtet. Die Formel E fährt am liebsten auf Innenstadt-Kursen, erklärt Sam Mallinson, Sprecher Formel E, am Rande eines Rundgangs durch die Boxengasse. Rennsport zum Anfassen ist die Devise, die Menschen sollen die Rennen in ihrer Stadt mitverfolgen, am Spektakel drumherum teilhaben können.
Nah dran
Das wurde wörtlich genommen, denn Rundgänge durch die Boxengasse gab es nicht nur für VIPs und Medien, sondern auch für alle anderen Rennsportbegeisterten. Die Serie zelebriert das Anders-Sein, und die Fans wissen das zu schätzen. Das Rezept, mit dem auch die Emotionen für den elektrischen Antrieb angeheizt werden sollen, funktioniert. Das zeigte der enorme Zuspruch zum Berlin E-Prix: Auf der Fläche zwischen den Tribünen und dem Flughafengebäude drängten sich Motorsportbegeisterte und ihre Familien zwischen den Infoständen und Mitmach-Angeboten der Sponsoren, die ihre Technologien vorstellten und klar machten: Die Formel E ist neben Rennsport-Spektakel auch ein Botschafter für die E-Mobilität und ein Labor für Technologien, die dort genutzt werden.
Der richtige Zeitpunkt
All das, was in den Fahrzeugen stecke, gebe es in Serienfahrzeugen im Prinzip schon, so Reiner Schoenrock, Group Vice President des Technologiekonzerns ABB, Titelsponsor der Formel E. Die Motoren, Energierückgewinnung beim Bremsen und andere Elem
ente werden aber in Rennsportserien weiterentwickelt und verbessert, was mittel- und langfristig zu nützlichen Effekten für den Massenmarkt führe. Daher komme auch das langfristige Engagement des Konzerns für die Rennserie, in welcher der Ladesäulen-Weltmarktführer keine eigenen Teams hat oder eigene Entwicklungen einsetzt. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um diese Technologie zu unterstützten, denn eigentlich gibt es keinen Grund mehr dafür, sie nicht einzusetzen.“ Einen Stand weiter präsentierte DHL seinen E-Transporter, genannt „E-Scooter“. Autohersteller mit eigenen Teams zeigten ihre Serienfahrzeuge, es gab E-Roller zum Ausprobieren und Rennsimulatoren zum Einstimmen auf den Höhepunkt des Tages.
Doppelsieg gefeiert
Beim eigentlichen Rennen wurde vor allem ein Team gefeiert: Audi Sport Abt Scheffler konnte den ersten deutschen Heimsieg verbuchen. Daniel Abt, der gebürtige Kemptener, fuhr als erster durchs Ziel, noch vor seinem Teamkollegen und Titelverteidiger Lucas di Grassi aus Brasilien. Beide rollten mit gerade noch genug Batterie-Ladestand über die Ziellinie, um in die Boxengasse zu kommen. Genau das ist bei der Formel E das Ziel, denn hier ist die Effizienz das Wichtigste, nicht zwangsläufig der schnellste Fahrstil. Alle Teams haben die gleichen Akkus an Bord, weshalb derzeit mitten im Rennen die Fahrzeuge gewechselt werden müssen.
Viel Neues
In der kommenden Saison wird sich das – neben manch anderem – ändern: Ex-Formel 1-Weltmeister Nico Rosberg höchstpersönlich stellte das neue Fahrzeug der Formel E in Berlin vor. Futuristischer, eigenständiger, und vor allem mit dem neuen großen Akku, der für das ganze Rennen reicht. Rosberg fährt übrigens selbst nicht in der Formel E, zählt jedoch zu ihren Investoren – ein Indikator dafür, wie ernst es die Formel E damit meint, wenn sie sich als die derzeit wichtigste Rennserie sieht, wie Sprecher Sam Mallinson am Rande der Präsentation betonte. Eine weitere Neuerung: In der kommenden Saison wird BMW ein Team stellen, ab 2019 sind auch Porsche und Mercedes mit dabei. Mercedes gibt außerdem sein Engagement in der einst legendären Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft DTM auf. Bleibt zu hoffen, dass sich die Formel E ihre Nähe zu den Fans zu erhalten vermag und so sympathisch bleiben kann, wie sie es im Jahr Vier ihrer Existenz ist. Dass sie auch im kommenden Jahr wieder in Berlin Station machen wird, erscheint indes immer sicherer, denn München als Alternativstandort wird laut Medienberichten immer unwahrscheinlicher.
Text/Bilder: Oliver Schlappat