Schnapsmacher

Christina Lopinski besuchte im Wedding die Preußische Spirituosen Manufaktur.

Auch ein Laie weiß: Alkohol ist nicht gleich Alkohol. Herb im Geschmack heißt es dort. Fruchtig im Abgang da. Fast so, als könnte man aus dem Wodka das Anbaugebiet des Weizens, aus dem Gin die Region herausschmecken, in der der Wacholder wuchs. Doch da sind ja meist noch die Zusatz- und Farbstoffe, die Emulgatoren und Geschmacksverstärker. „Nicht bei uns“, sagt Netanel Eiser, Mitarbeiter in der Preußischen Spirituosenmanufaktur (PSM), Seestraße 13. Eine Geruchssinfonie aus Gewürzen und Kräutern strömt aus Kupferkesseln und Steingutkrügen, auf Schiefertafeln stehen Rezepturen, in Hunderten Fläschchen tummeln sich Blüten, Blätter, Samen und Wurzelwerk.

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Per preussischer Kabinettsorder wird 1874 die Errichtung der „Versuchs- und Lehranstalt für Spiritusfabrikation“ beschlossen und dem Chemiker Prof. Max Delbrück zum Aufbau und zur Leitung anvertraut. Das angegliederte Schulungsgebäude dient nicht nur zur Ausbildung des gesamtdeutschen Brenner- und Destillateursnachwuchs, sondern fungiert auch als Versuchslikörfabrik. „Mit dieser Geschichte zu arbeiten ist toll. Wir blicken auf sechs Generationen von Wissenschaftlern zurück“, sagt Ex-Hotelier und Bartender Gerald Schroff, der 2009 mit Professor Ulf Stahl, damals Chef des Forschungsinstituts für Mikrobiologie an der Technischen Universität, die Likörfabrik übernahm

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Auch einfache
Arbeit kann
mit Stolz
erfüllen.

Gerald Schroff

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Was hier preußisch sei sind Akribie und Leidenschaft, Fleiß und Innovation. „Ich verbinde mit Preußen das Handwerk, und dass auch einfache Arbeit mit Stolz erfüllen kann“, sagt Schroff. Familiär gehe es im Fünf-Mann-Betrieb zu, „jeder muss alles können.“ Alles ist Vertrieb und Verwaltung, die Organisation der begehrten Führungen, Verkostung und Abfüllung, Produktentwicklung. Eine anspruchsvolle olfaktorische Leistung, Korn, Gin und Wodka, Kräuterbittern, Likören und Bränden Geschmack „einzuhauchen“, ohne künstliche Aromen zu verwenden.

Einzigartige Schätze

Rarität und Qualität gehen hier im Gleichschritt, Massenproduktion ist keine Alternative zum Selbstverständnis der Manufaktur. Auch das Konzept, mit den historischen Mazerationsgefäßen, der Vakuumdestillation und der monatelangen Lagerung in Steingutgefäßen zu arbeiten, macht Klasse, aber nicht Masse möglich. Und ausgebildet und geforscht wird ja hier auch noch. Die Preußische Spirituosen Manufaktur beherbergt einen Schatz, der in Produktionsmengen und Gewinnraten nicht zu messen ist: „Fast die Hälfte der weltweiten Fachliteratur im Spirituosenbereich ist hier geschrieben worden und wird hier aufbewahrt“, verrät Eiser.

Solide Abläufe

Es geht um die Wiederentdeckung des bewussten Genusses von Alkohol ohne Reue, nicht um die Produktion noch eines Luxusgutes. Das Konzept funktioniert, PSM-Kunden kommen aus ganz Deutschland. Eine Rückbesinnung zu Qualität und Handanfertigung sei allenthalben zu beobachten. „Handwerk befriedigt eine Sehnsucht“, sagt Schroff. Im Gegenzug zur Digitalisierung seien die Abläufe solide und vor allem nachvollziehbar. „Das Produkt ist das direkte Ergebnis meiner eigenhändigen Arbeit. Diese Transparenz wirke auf die Menschen außerordentlich beruhigend.

www.psmberlin.de

Datum: 22. Juni 2018, Text: Christina Lopinski, Bilder: Michael Handelmann für B.O.B. – The Best of Berlin