Menschen mit Wurzeln in der Türkei prägen seit Generationen das Zusammenleben in Deutschland. Wie erlebten sie die Zeit zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung? Eine Fotoausstellung begibt sich auf Spurensuche.
Zu Beginn des Jahres 1990 besuchte der Istanbuler Fotograf Ergun Çagatay mehrere deutsche Städte. Dabei entstand die umfangreichste Bildreportage zur türkischen Einwanderung und türkeistämmigen Präsenz in Deutschland.
Das Museum Europäischer Kulturen (MEK) in Dahlem, Arnimallee 25, zeigt 107 der insgesamt knapp 3.500 Aufnahmen in der kürzlich eröffneten Ausstellung „Wir sind von hier. Türkisch-deutsches Leben 1990“. Die Fotos führen mitten hinein in die Lebenswelten der ersten und zweiten Generation von türkischen Arbeitsmigranten führen und ein vielfältiges Bild ihrer Lebensrealitäten im Jahr 1990, als die Wiedervereinigung bevorstand, zeichnen, heißt es in einer Ankündigung.
Zwischen Ost und West
Die Ausstellung nimmt die Besucher mit auf Çagatays Reise von Hamburg über Köln und Werl nach Berlin und zurück in den Westen nach Duisburg.
Neben den ortsspezifischen Arbeits- und Lebensbedingungen deutsch-türkischer Communities in diesen Städten fanden auch politische Themen immer wieder Eingang in Çagatays Motivauswahl. So dokumentierte er etwa migrantische Initiativen um gesellschaftliche Teilhabe. In verschiedenen Fotografien deutete er den zunehmenden Rechtsextremismus dieser Zeit an.
Persönliche Gespräche
Ausstellungsgespräche mit den porträtierten Personen sowie Erzählcafés werden persönliche Einblicke und Möglichkeiten zum Dialog bieten.
Der Kulturtag „Haymat Almanya“ am 3. Oktober feiert nicht nur die seit mehr als 60 Jahren gewachsenen deutsch-türkischen Lebenswelten. „Haymat Almanya“ eröffnet auch deutsch-türkische Perspektiven auf den Mauerfall und bietet somit eine Ergänzung zum herrschenden Narrativ der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche der Wendejahre.
Videointerviews mit Zeitzeugen
Die Medieninstallation „Annäherungen“ präsentiert zentrale Themen aus dem fast 3.500 Fotografien umfassenden Konvolut in einem Bilderstrom. Knapp 400 Sequenzen dokumentieren Çagatays Streifzüge durch Deutschland und ermöglichen so einen Einblick in seine Motivsuche. Flankiert wird die Installation von acht eigens für die Ausstellung produzierten Videointerviews mit Zeitzeugen.
Çagatay zählt zu den namhaftesten türkischen Fotografen und Fotojournalisten. International bekannt wurde er durch seine Fotoreportagen, Ausstellungsprojekte und Buchpublikationen.
Die Ausstellung “Wir sind von hier” ist bis zum 7. Februar 2023 zu sehen. Weitere Informationen gibt es online.
Text: red/nm