Spätestens seit dem Erfolgsroman „Sonne und Beton“ ist die Gropiusstadt bundesweit in aller Munde. Jetzt gibt es die Geschichte auch als Graphic Novel.
Ein Panoramablick auf den Bat-Yam-Platz, eine kurze Diskussion mit einem Sicherheitsbeamten vor der Schule und schon sind wir mittendrin in der Geschichte. Sie dreht sich um vier Jungs in der Gropiusstadt, einen heißen Sommer und eine folgenschwere Entscheidung. Um den eintönigen und häufig auch gefährlichen Alltag zwischen den Hochausblocks.
Mit seinem autobiografisch gefärbten, schonungslos realistischen Debütroman erreichte der Comedian Felix Lobrecht im Jahr 2017 ein breites Publikum. Die Zeichnerin Oljanna Haus ließ sich davon zu einer Graphic Novel erschienen, die nun ebenfalls unter dem Titel „Sonne und Beton“ erschienen ist.
Temporeiche Bildfolge
In einer temporeichen Bildfolge und mit einer klar strukturierten Grafik erweckt sie den von Perspektivlosigkeit und dem Drang nach Selbstbehauptung geprägten Alltag zum Leben. Ein unterhaltsames, nicht nur wegen des besonderen Kiez-Sprechs mitunter aber auch anstrengendes Leseerlebnis.
Wie auch bei vielen Erlebnissen der vier Proganisten stand auch bei der Graphic Novel am Anfang der Zufall. 2020, im ersten Corona-Lockdown, lernte die heute 23-Jährige die Hörbuchfassung von „Sonne und Beton“ kennen. Und hatte sofort Bilder im Kopf.
Spontan zeichnete sie eine Seite mit Szenen aus dem Buch und postete sie bei Twitter. Dort fand sie Felix Lobrecht. „Er fragte mich, ob ich ein ganzes Buch gestalten möchte“, berichtet Oljanna Haus.
Persönlicher Bezug
Doch wie füllt man knapp 280 Seiten mit Bildern über eine Großsiedlung, wenn man, so wie Oljanna Haus, rund 750 Kilometer von Berlin entfernt am Bodensee lebt und zur Gropiusstadt, im Gegensatz zu Felix Lobrecht, keinen persönlichen Bezug hat?
Um sich die Gropiusstadt ästhetisch zu erarbeiten, fuhr die Zeichnerin mehrgleisig. „Die Gropiusstadt wird in Felix Lobrechts Romans sehr genau beschrieben, das war eine gute Grundlage“, erzählt sie. „Zusätzlich arbeitete ich mit Google Maps.“
Außerdem kannte Oljanna Haus die Gropiusstadt aus Dokumentationen und dem Roman „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. „Einige Schauplätze habe ich mir vor Ort angeschaut. Alles war so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich fühlte mich wie an einem Filmset.“
Vetraut mit Plattenbauten
Plattenbauten seien ihr aus Tbilissi, der Heimatstadt ihrer Mutter, sehr vertraut. Auch dort würden viele Menschen auf engem Raum leben.
Zunächst schrieb Oljanna Haus eine Art Drehbuch. Die Bildsprache gestaltete sie sehr grafisch. „Ich zeichnete auf dem Tablet, darauf kann man Flächen und Ebenen sehr einfach verschieben.“
Einige Wohnblocks in der Gropiusstadt hätten eine faszinierende Ästhetik. „Deren Graustufen und gerade Linien habe ich in meinen Zeichnungen eingefangen. Diese sind viel besser gelungen als die Seite, die ich anfangs bei Twitter hochgeladen habe.“
Einladung zum Lesen
Oljanna Haus sieht die Graphic-Novel-Fassung von „Sonne und Beton“ als eine niedrigschwellige Einladung zum Lesen. „Die beschreibenden Elemente der Romanfassung fehlen, werden in Bildern aufgefangen“, erklärt sie. „Das könnte es jungen Menschen erleichtern, sich mit dieser Geschichte zu beschäftigen.
„Langeweile und Perspektivlosigkeit unter Jugendlichen sind nach wie vor aktuelle Probleme“, findet Oljanna Haus. Von Lehrern und Sozialarbeitern hätten sie und Felix Lobrecht bereits positive Rückmeldungen erhalten.
Infos zum Buch:
Oljanna Haus, Felix Lobrecht: Sonne und Beton – Die Graphic Novel, 280 Seiten, erschienen bei hanserblau, 16 Euro, weitere Infos gibt es hier.
Text: Nils Michaelis, Illustration: hanserblau