Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz nimmt am 27. Januar an einer Diskussionsrunde seiner Neuköllner Parteifreunde teil. Bild: IMAGO/Political-Moments
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz nimmt am 27. Januar an einer Diskussionsrunde seiner Neuköllner Parteifreunde teil. Bild: IMAGO/Political-Moments

Am 27. Januar diskutiert die CDU Neukölln über die Silvesterkrawalle. Prominenter Gast der Veranstaltung in der Gropiusstadt: der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz. SPD und Linke sind außer sich.

In Neukölln treibt der Wahlkampf für die Wahlwiederholung am 12. Februar seltsame Blüten. Die CDU Neukölln kündigt für den 27. Januar unter dem Motto „Klartext mit Merz“ eine Diskussionsveranstaltung in der Gropiusstadt an. Es geht um das gewaltsame Chaos, das in der Silvesternacht auch die Großsiedlung im Süden von Neukölln erfasst hatte. Aber auch die Aufgaben des künftigen Berliner Senats werden angesprochen.

Umfragen sehen die CDU derzeit als stärkste Kraft. Hoffnungen aufs Rote Rothaus sind also nicht ganz unberechtigt.

Diskussionsveranstaltungen sind eine gute demokratische Tradition. Erst recht, wenn es um Themen geht, die viele Menschen in der Stadt bewegen. Am Freitag diskutiert die CDU allerdings allein mit sich selbst. Auf dem Podium sitzen neben Merz ausschließlich Vertreter der Union, darunter der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat Kai Wegner.

„CDU will polarisieren“

So ein Format ist, zumal in Wahlkampfzeiten, nichts Ungewöhnliches. Dennoch wollen SPD, Linke und zivilgesellschaftliche Bündnisse auf dem Bat-Yam-Platz gegen den Wahlkampfauftritt protestieren. Linke und SPD werfen Merz und der CDU vor, sich auf Kosten der Probleme im Bezirk zu profilieren und polarisieren zu wollen.

„Es ist zu befürchten, dass die CDU wenig bis gar nicht über die schwerwiegenden Probleme in Neukölln reden wird, wie Kinderarmut, steigende Mieten, sinkende Löhne und hohe Lebensmittelpreise“, so ein Sprecher der Neuköllner Linken. „Wir befürchten, dass die CDU stattdessen versuchen wird, weiter die Bevölkerung zu spalten und ihre rassistische Erzählung von Silvester fortzusetzen. Dagegen protestieren wir.”

„Neukölln ist ein vielfältiger Bezirk, in dem Menschen aus der ganzen Welt zusammenleben und arbeiten“, so der SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir. „Das, was die CDU in Neukölln machen will, ist weiter Vorurteile zu schüren. Das lassen wir nicht zu. Wir wollen uns nicht instrumentalisieren lassen.“

Täter mit Migrationsgeschichte

An den Krawallen der Silvesternacht waren viele Jugendliche mit einer Migrationsgeschichte beteiligt. Daraufhin bezeichnete Merz Kinder aus Familien mit arabischen Wurzeln als „kleine Paschas“. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus wollte die Vornamen der Täter der Silvesternacht wissen, um Rückschlüsse auf einen möglichen Migrationshintergrund zu erhalten.

Auch Falko Liecke wird am Freitag mit Merz debattieren. Der Sozialstadtrat und Vorsitzende der CDU Neukölln nimmt die Kritik an der Veranstaltung gelassen. „Wir haben erwartet, dass andere Parteien den Auftritt den Bundesvorsitzenden für ihre Agenda nutzen möchten“, teilt Liecke schriftlich mit. „Das ist weder überraschend noch unüblich – zeigt aber die Relevanz der Veranstaltung.“

„Bemerkenswert“ sei vielmehr der Versuch, bürgerliche Politik mit Verleumdungen an den Rand zu drängen, anstatt den demokratischen Meinungskampf mit Sachargumenten zu führen.

Einladung an Friedrich Merz

Als Konsequenz aus der Silvesternacht hatte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) einen Gipfel gegen Jugendgewalt einberufen. „Die Ergebnisse sind ernüchternd“, so Liecke. „Bisher ist nur bekannt, dass es einmalig ein paar Millionen Euro geben soll. Ein nettes Symbol, ein Wahlkampfgeschenk – mehr nicht.“ Damit löse man keine Probleme, die die SPD-geführten Senate seit bald 22 Jahren zu verantworten hätten.

Demir hat Merz eingeladen, sich bei einem Besuch in seinem Wahlkreisbüro auf dem Lipschitzplatz ein Bild von der Lage in der Gropiusstadt zu machen.

Liecke reagiert mit Spott: „Ich gehe davon aus, dass der Bundesvorsitzende nicht die durch nervösen Wahlkampf motivierte Einladung eines SPD-Abgeordneten benötigt, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Dafür hat er nämlich zahlreiche engagierte Kommunalpolitiker vor Ort, die sich um einiges besser in Neukölln auskennen als ein Bundestagsabgeordneter aus Krefeld, der noch nicht einmal im Süden des Bezirks im Ortsverband ist.“

„Das ist unverschämt“

„Erst fragt die CDU nach Vornamen und jetzt muss auch noch die Geburtsurkunde den richtigen Ort aufweisen“, konterte Demir Lieckes Kritik. „Wir dürfen nicht Menschen gegeneinander ausspielen. Das ist unverschämt – nicht nur mir gegenüber, sondern auch gegenüber den Zehntausenden von Menschen, die in Neukölln seit Jahren ihre neue Heimat gefunden haben.“

Text: Nils Michaelis