Im Lichtenberger Nibelungenviertel sollen in den kommenden Jahren insgesamt 134 Wohnungen in den Innenhöfen errichtet werden. Gegen diese Bebauungspläne wenden sich sogar Politiker, die in den Koalitionen auf Landes- und Bezirksebene mitentscheiden.
Und wieder zieht sich eine städtische Wohnungsgesellschaft die Wut ihrer Mieter zu, weil sie mit Mitteln der sogenannten Nachverdichtung, Wohnungen dort bauen will, wo die Nachbarn seit Jahrzehnten ihre Grün- und Freizeitflächen unter ihren Fenstern genießen.
Diesmal kreischte die Motorsäge In den Morgenstunden des 22. Februars im grünen Innenhof der Atzpodienstraße 22, um Platz für eine Baustelle zu schaffen. Als gegen 6.30 Uhr die Arbeiter mit den Fällarbeiten starten wollten, konnten die Nachbarn mit Sitzblockaden das gerade noch für ein paar Stunden verhindern. Erst nach Polizeieinsatz und Räumung des Geländes konnten die Landschaftsgärtner dann doch ihr Vorhaben umsetzen. 16 Bäume, ein Spielplatz und eine Sitzecke wurden gefällt und abgeräumt.
Entschuldigungen für eine vollzogene Räumung
Die Info von der kommunalen Wohnungsgesellschaft Howoge zu den Fällarbeiten hatte die Anwohner gerade mal sechs Tage zuvor erreicht. „Wir hatten überhaupt keine Chance, uns dazu zu äußern oder zu organisieren, geschweige denn zu wehren“, sagt ein Anwohner. Diesen empörten Einwand teilt das Lichtenberger Bezirksamt und sogar der Bauherr Howoge. Was bleibt, sind nun Entschuldigungen – und das gefällte Holz.
„Die Information kam zu spät. Ich kann nur unterstreichen, dass das nicht richtig gelaufen ist“, sagt dazu Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) in einem Interview mit der rbb-Abendschau.
Auch die Howoge selbst spart nicht mit Erklärungen: „Ohne große Umschweife möchte ich Ihnen und Ihren Nachbarn das Bedauern der Howoge über die sehr kurzfristig erfolgte Information zum Bauvorhaben und die bauvorbereitenden Maßnahmen übermitteln“, heißt es in einem Schreiben des Wohnungsunternehmens. Man habe am 19. Februar eine Fällgenehmigung vom Bezirksamt erhalten und schnell handeln müssen. „Das Verbot von Baumfällungen während der Schutzzeit zwischen März und Oktober hätte eine Bauverzögerung um mindestens ein Jahr bedeutet“, so Unternehmenssprecherin Sabine Pentrop.
Anwohner hätten diese Bauverzögerung sicherlich gerne gesehen, um sich auf die neue Situation einzustellen oder um zu versuchen, die Nachverdichtung in der geplanten Form zu verhindern und Alternativen vorzuschlagen.
Keine Zeit für Proteste
Der Lichtenberger Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg (Die Linke) kritisiert das Vorhaben. „Nicht alle Grundstücke, auf denen theoretisch und baurechtlich noch Platz vorhanden ist, eignen sich automatisch dafür, leistbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt er. In relativer Nähe gebe es ein für Wohnungsbau erheblich besser geeigneteres Grundstück, für dessen Randbebauung er sich seit Langem einsetze.
Eine Alternative, die aus Sicht der Menschen im Nibelungenviertel zu spät ins Auge gefasst wird. Das Bezirksamt hat für den 4. März um 16 Uhr ein Vor-Ort-Gespräch mit Bezirksstadträten und Anwohnern organisiert.
Datum: 4. Februar 2021, Text: Stefan Bartylla, Bild: privat