Stolpersteine: Bild: IMAGO / CTK Photo (Symbolbild)
Stolpersteine: Bild: IMAGO / CTK Photo (Symbolbild)

Am 7. Oktober 2022 wurden vor den Häusern Kaiserdamm 13 und Kaiserdamm 105
insgesamt zehn Stolpersteine im Beisein von Kultursenator Klaus Lederer und Künstler Gunter Demnig verlegt.

Zum Gedenken an Frieda Behrendsohn, Bertha Blau, geb. Fischl, Betty Lewinski, geb. Behrendsohn, Marie Amalie Blau, geb. Marcus (Kaiserdamm 13) sowie an Albert Buchsbaum, Emilie Buchsbaum, geb. Weirauch, Heinrich Buchsbaum, Julius Heskel, Elisabeth Gertrud Heskel, geb. Petzall und Jenny Janower, geb. Stenschewski (Kaiserdamm 105) wurden am Freitag zehn neue Stolpersteine verlegt.

Erinnerung im Alltag

„Es ist der Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH ein großes Anliegen, das Gedenken an die von den Nationalsozialisten gedemütigten, verfolgten, entrechteten und ermordeten Menschen aufrecht zu erhalten“, so Geschäftsführer Sebastian Pflum. „Die Stolpersteine sollen uns in unserem Alltag daran erinnern, dass so etwas Furchtbares nie wieder geschehen darf.“

Dr. Klaus Lederer, Bürgermeister von Berlin und Senator für Kultur und Europa betonte in seiner Rede: „Stolpersteine setzen dort ein Zeichen, wo sich eine Erinnerungskultur verankern muss, um mehr als alljährliches Lippenbekenntnis von Politikerinnen und Politikern zu bleiben: in der Gesellschaft, in der Nachbarschaft, in der konkreten Lebenswirklichkeit jedes Einzelnen von uns. Ihrer Wirkungskraft als ein beeindruckendes dezentrales Gedenkzeichen, das sich über ganz Deutschland und darüber hinaus erstreckt, steht die enorme Strahlkraft in der konkreten lokalen Umgebung zur Seite.“

Besuch der Angehörigen

Die Verlegung wurde begleitet von dem Kantor Hemi Levison und dem israelischen Gitarrist Guy Woodcock, die Biografien der zu gedenkenden Personen wurden verlesen durch Irene Aselmeier. Für die Stolperstein-Verlegung vor dem Kaiserdamm 13 reiste Bertha Blaus Ur-Enkelin, Frau Robin Greenwald und ihre Familie aus den USA an. „Ich werde immer dankbar sein, dass meine Familie rechtzeitig Deutschland verlassen konnte“, so Frau Robin Greenwald.

In der Anfang des 20. Jahrhunderts angelegten Prachtstraße Kaiserdamm waren viele Mitbürger zuhause, die dem Terror der Nationalsozialisten zum Opfer fielen, davon zeugen die bereits verlegten Stolpersteine.

Schlimme Schicksale

So auch am Kaiserdamm 13 und 105: Betty Lewinski, geb. Behrendsohn (geboren am 6.10.1897 in Liebstadt/Ostpreußen) wohnte mit ihrer Schwester Frieda Behrendsohn (geboren am 22.2.1893 in Liebstadt/Ostpreußen) am Kaiserdamm 13. Lewinski lebte vermutlich in Scheidung von ihrem Mann Alfred und arbeitete bei „Deutsche Waffen
und Munition“ in Borsigwalde (Reinickendorf). Seit Mai 1941 wohnte sie zur Untermiete in der
Motzstraße 91, sie wurde am 24.9.1942 vermutlich von Frankfurt a.M. über Berlin nach Raasiku bei Reval deportiert, wo sie ermordet wurde.

Frieda wurde am 5.9.1942 deportiert und am 8.9.1942 in Riga ermordet. Bertha Blau, geb. Fischl (geboren am 30.6.1876 in Prag) lebte ab 1939 bei ihrer Nichte Marie Amalie
Blau, geb. Marcus (geboren am 10. August 1881 in Berlin-Pankow) am Kaiserdamm 13. Bertha hatte 1894 den Berliner Sanitätsrat Louis Blau (geboren 1848, gestorben 1920 in Berlin) geheiratet, aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Rudolf Blau (geboren 1896 in Berlin, gestorben 1962 in  Waterbury/Connecticut, USA) und Charlotte Kurrein, geb. Blau (geboren 1893 in Berlin, gestorben 1983 in Haifa, Israel). Bertha emigrierte 1939 in die USA, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.

Marie Amalie Blau, geb. Marcus (geboren am 10.8.1881 in Berlin-Pankow) war die Tochter von Karoline Marcus, geb. Fischl – einer Schwester von Bertha Blau. Sie war seit 1903 mit Fritz Blau (geboren 1865 in Wien, gestorben 1929 in Berlin) verheiratet und hatte zwei Kinder: Dorothea Klara Blumenthal, geb. Blau (geboren 1903 in Berlin, gestorben 1994 in Cedar Grove/New Jersey, USA) und Theodor Joseph Blau (geboren 1907 in Berlin, gestorben 1981 in East Orange/New Jersey, USA).

Am Kaiserdamm 105 lebte der Kaufmann und Handelsvertreter Albert Buchsbaum (geboren am 1.7.1876 in Berlin) mit seiner Frau Emilie Buchsbaum, geb. Weirauch (geboren am 21.5.1883 in Wilkau, Schlesien) sowie mit seinem Bruder Heinrich (geboren am 29.3.1878 in Naumburg). Albert Buchsbaum erhielt 1938 Berufsverbot, war jedoch durch die „privilegierte Mischehe“ mit seiner protestantischen Frau vor Deportation geschützt. 1942 wurde ihre Wohnung am Kaiserdamm 105 enteignet und einem SS-Unterscharführer überlassen. In der ihnen zugewiesenen Wohnung in der Grolmanstraße 51 überlebte das Ehepaar den Krieg; Albert Buchsbaum starb am 18.3.1948, Emilie stellte 1950 einen Antrag zur Wiedergutmachung und wurde als Verfolgte des NS-Regimes anerkannt. Heinrich Buchsbaum wurde am 14.12.1942 nach Auschwitz deportiert. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Seit 1936 lebten auch Julius Heskel (geboren am 8.6.1868 in Berlin) und seine Frau Elisabeth Gertrud Heskel, geb. Petzall (geboren am 6.12.1876 in Berlin) in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung am Kaiserdamm 105. Als Julius Heskel im März 1942 den Bescheid zur Deportation erhielt, entschied er sich für den Freitod. Er starb am 12.3.1942 in Berlin und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt. Elisabeth wurde am 30. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Am 26.9.1942 wurde sie in  Treblinka ermordet. Das Ehepaar Heskel hatte drei Töchter: Charlotte Lucie (geboren am 22. Dezember 1895, ermordet am 22. Oktober 1942 in Riga), Alice (geboren 1900, gestorben am 18. September 1984 in San Diego, Kalifornien) und Ilse (geboren 1903, gestorben 1909).

Jenny Janower, geb. Stenschewski (geboren am 18.3.1886 in Rogasen) bewohnte ab Mai 1939 zwei Zimmer in der fünfeineinhalb Zimmer großen Wohnung des Ehepaars Buchsbaum in der vierten Etage am Kaiserdamm 105. Ihre Ehe mit Julius Janower (geboren 1884 in Berlin) blieb kinderlos, Julius starb am 19.5.1928 im Krankenhaus der jüdischen Gemeinde. Jenny Janower wurde am 14.11.1941 vom Bahnhof Grunewald nach Minsk deportiert und ermordet.

Im Anschluss an die Verlegung der Stolpersteine durch den Künstler Gunter Demnig gab es die Gelegenheit, den Vormittag bei gemeinsamen Gesprächen ausklingen zu lassen.

Text: red