Jerusalem (dpa) – Das Wiesenthal-Zentrum bedauert, dass ein früherer KZ-Wachmann vor einer Bestrafung gestorben ist. Der 102-Jährige, der wegen Beihilfe zum Mord an Tausenden Menschen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war, war vor kurzem gestorben, bevor über seine Revision gegen das Urteil vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden worden war.

Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, sagte am Donnerstag, durch den Tod vor einer Entscheidung über die Revision bleibe er dem Anschein nach «unschuldig, obwohl die Beweise für seinen Dienst als SS-Mann im Konzentrationslager Sachsenhausen sehr überzeugend waren».

Der hoch betagte Angeklagte hatte im Prozess vor dem Landgericht Neuruppin hartnäckig bestritten, überhaupt im KZ Sachsenhausen tätig gewesen zu sein. Stattdessen will er als Landarbeiter gearbeitet haben. Diese Aussage stufte das Gericht aufgrund zahlreicher Dokumente mit den persönlichen Daten des Angeklagten, die auf eine Tätigkeit als Wachmann der SS in dem KZ hinwiesen, als nicht glaubwürdig ein.

Zuroff sagte: «Bisher ist nicht ein einziger Angeklagter in den „späten Prozessen“ in Deutschland inhaftiert und für seine Verbrechen bestraft worden.» Der Grund seien Mängel im deutschen Justizsystem, «die bei Überlebenden und ihre Familien ein bitteres Gefühl hinterlassen», sagte er. Dennoch müsse weiter versucht werden, so viele NS-Verbrecher wie möglich zur Rechenschaft zu ziehen. Dies diene als «wichtige Geschichtslektion für die deutsche Gesellschaft und wichtiges Instrument im Kampf gegen den wachsenden Antisemitismus».

Die deutschen Nationalsozialisten und ihre Helfershelfer ermordeten während der Nazi-Herrschaft (1933 bis 1945) nach Schätzungen etwa sechs Millionen Juden.

Das 1977 gegründete Wiesenthal-Zentrum mit Hauptsitz in Los Angeles ist mit der weltweiten Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern bekannt geworden.