Potsdam (dpa) – Der Potsdamer Universitäts-Präsident Oliver Günther hält den Umgang mit der Jura-Professorin und SPD-Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf für bedenklich. «Mein Fazit ist, dass man über die Schriften und Entscheidungen einer Kandidatin oder eines Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht diskutieren muss, dass aber in diesem Fall die Qualifikation für das Amt völlig außer Frage steht», sagte Günther der Deutschen Presse-Agentur. «Ich fände ich es bedenklich für Deutschland, wenn solche Persönlichkeiten wie Frau Professorin Brosius-Gersdorf auf diese Art und Weise beschädigt und letztlich womöglich aus dem Rennen genommen werden.»
Der Uni-Präsident, der auch SPD-Mitglied ist, stellte sich vor die Potsdamer Juristin. «Sie ist eine herausragende Kollegin und wir sind stolz darauf, sie in unseren Reihen zu wissen», sagte Günther. «Das war schon vorher so und das ist jetzt immer noch so. Ich würde mich auch sehr freuen, wenn sie doch noch zur Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt würde.»
Vorbehalte aus Unionsfraktion
Die Wahl von drei Kandidatinnen und Kandidaten für das höchste deutsche Gericht – darunter Brosius-Gersdorf – war am 11. Juli kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags genommen worden. Gegen Brosius-Gersdorf gab es in der Union Vorbehalte, unter anderem wegen ihrer aus Sicht mancher Abgeordneter zu liberalen Haltung zu Abtreibungen und ihrer positiven Haltung zu einer Impfpflicht während der Corona-Krise. Entgegen vorheriger Zusagen konnte die Fraktionsspitze die Zustimmung zu ihr nicht mehr garantieren.
Seit 2021 hat Brosius-Gersdorf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht und Sozialrecht, an der Uni Potsdam inne. Sie habe sich wie andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Themen geäußert, «die in der Bevölkerung äußerst emotional und nicht immer rational diskutiert werden», sagte Günther. Dazu gehöre die Frage der Abtreibung.
Präsident: Richterwahl wird genauer verfolgt
Der Uni-Präsident verwies auf die Situation, dass die Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Wochen rechtswidrig, aber straffrei ist. «Zu diesen Fragen gibt es in Deutschland offensichtlich noch Gesprächsbedarf», sagte Günther. Also befassten sich juristische Experten damit, auch Brosius-Gersdorf. «Das hat viele Bürgerinnen und Bürger besorgt, dass sie sich da in einer Weise geäußert hat, die nicht jedem gefällt, aber das liegt in der Natur der Sache.»
Die Wahl von Verfassungsrichtern wird aus Sicht von Günther nach Erfahrungen in den USA auch in Deutschland genau beobachtet. «Berufungen an den Supreme Court – und eben auch ans Bundesverfassungsgericht – könnten Einfluss darauf haben, wer in fünf, zehn oder 20 Jahren dieses Land regiert», sagte er. «Aufgrund der Erfahrungen in den USA werden diese Berufungen heute wesentlich sorgfältiger verfolgt als früher.»
Die SPD steht weiter hinter ihrer Kandidatin. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hält eine schnelle Lösung nach der Sommerpause für machbar. Es sei Aufgabe der Fraktionen, sich auf Kandidaten zu einigen, hatte sie der katholischen Wochenzeitung «Die Tagespost» gesagt.