"Im Osten war nicht alles schlecht." Bild: IMAGO / blickwinkel
"Im Osten war nicht alles schlecht." Bild: IMAGO / blickwinkel

Die Mauer, die einst Ost- und Westdeutschland teilte, ist längst abgerissen. Doch in den Köpfen vieler ist sie geblieben.

Wie verbringen Sie den 3. Oktober, den Tag der Deutschen Einheit, liebe Leserinnen und Leser? Ich, geboren in Ostdeutschland und wohnhaft in Treptow-Köpenick, bin in Schöneweide zum Eis essen verabredet, dann im Schwimmbad in Oranienburg und abends beim Lieblingsasiaten in Friedrichshain. Also bleibe ich schön im Osten – wieder mal.

Auch wenn ich auf die Frage, ob ich Unterschiede zwischen Ost- und Westberlin mache, aus tiefster Überzeugung mit „Nein“ antworten kann, führen meine Wege mich allzu selten in den Westteil der Stadt. Und wenn, da bin ich wieder ehrlich, dann fühlt es sich komisch an. Das liegt aber mehr an der fehlenden Tram auf der Straßenmitte und bestimmt nicht an den Menschen.

Die typischen Ossi-Wessi-Klischees

Meine Generation, ich bin 36 Jahre alt, also gerade mal so in der DDR geboren, hat mit den Ossi-Wessi-Klischees, wie sie die Generation meiner Eltern zum Beispiel gerne nutzt, überhaupt nichts mehr zu tun. Da wären: Wessis sind arrogante Besserwisser, Ossis heißen Mandy und Maik und machen FKK-Urlaub an der Ostsee. Oft kommt auch: Ossis sind sparsamer, Wessis verdienen besser. Dass Westdeutsche besser verdienen, da ist allerdings was dran.

Gehaltsunterschiede Ost und West

Und das ist nicht in Ordnung, fast 33 Jahre nach dem Fall der Mauer. Laut Infos aus der ARD-Tagesschau liegen auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Durchschnittslöhne in Ostdeutschland deutlich unter denen in den alten Bundesländern. Westdeutsche verdienten demnach im vergangenen Jahr im produzierenden Gewerbe und bei Dienstleistungen 55.797 Euro. Ostdeutsche bekamen im Schnitt lediglich 43.624 Euro. Das entspricht einem Gehaltsunterschied von exakt 12.173 Euro im Jahr.

Das hat verschiedene Ursachen: die geringere Tarifbindung in Ostdeutschland und dass im Osten mehr Frauen erwerbstätig sind als im Westen und damit die Durchschnittslöhne drücken. Stimmt, Frauen verdienen ja immer noch weniger als Männer im gleichen Beruf. Das Fass machen wir aber jetzt besser nicht auf.

Das kann noch dauern

Die Ost-West-Angleichung auf dem Arbeitsmarkt, bei den Lebenshaltungskosten, bei den Mietpreisen – all das ist noch immer nicht passiert. Der Osten hinkt weiter hinterher. Jedes Jahr wieder am 3. Oktober wird dann die „Einheit“ aber mit großem Programm und Fähnchen gefeiert. Die zentralen Feierlichkeiten finden dieses Jahr übrigens in Erfurt statt. Unter dem Motto „Zusammen wachsen“. Dauert wohl länger als ein Beinbruch. Aber wie lange noch?

Angleichung der Lebensverhältnisse

Ich bin sicher: An den Menschen im Hier und Jetzt liegt es nicht. Die sind nett oder doof, faul oder fleißig und laut oder leise, egal woher sie kommen. Ältere Menschen haben ihre persönlichen Erfahrungen und die vergessen sie auch nicht. Eine ältere Bekannte etwa hat in der DDR so gelitten, dass sie seit der Wende den Ostteil der Stadt nicht ein einziges Mal mehr betreten hat. Aber ein Anfang wäre es sicher, für eine Angleichung der Lebensverhältnisse zu sorgen. Dann würde es dem einen oder anderen vielleicht leichter fallen, die Mauer auch im Kopf endlich abzureißen.

Wie ist das bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser? Spielen Ost und West bei Ihnen noch eine Rolle? Nehmen Sie an unserer Umfrage teil. Das Abstimmungsfeld finden Sie in der rechten Seitenleiste. Oder schreiben Sie uns Ihre Meinung und Erfahrungen in die Kommentare oder an redaktion@berliner-abendblatt.de.

Text: Sara Klinke