Berlin (dpa/bb) – Betroffenen von sexuellen Übergriffen oder parteiinterner Diskriminierung wollen die Berliner Grünen künftig ermöglichen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden. Die Partei evaluiere ihre Beschwerdestrukturen immer wieder und entwickele sie weiter, teilten die Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai auf dpa-Anfrage mit.
«Gleichzeitig hat der vorliegende Fall beispielsweise die Notwendigkeit einer externen Stelle, bei der sich Betroffene melden können, deutlich gemacht», so die Landesvorsitzenden vor dem Hintergrund der Diskussion um den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar.
Gelbhaar weist Vorwürfe zurück
Auf seiner Website hat der Grünen-Politiker an Silvester Vorwürfe sexueller Belästigung als «frei erfunden» zurückgewiesen. Dem RBB haben nach Angaben des Senders mehrere Frauen zum Teil anonym, zum Teil eidesstattlich versichert, von Gelbhaar belästigt worden zu sein. Über die Vorwürfe hatten auch andere Medien berichtet.
«Die Vorwürfe sind gelogen», erklärte der Grünen-Politiker, der seit 2017 Mitglied des Bundestags ist. Bei dem Vorgang müsse es sich «um eine in Teilen geplante Aktion» handeln. «Das Ziel ist mich massiv zu diskreditieren, überdies Teile der Partei in Aufruhr zu versetzen, und der Partei zu schaden», so Gelbhaar auf seiner Website. Auf eine Anfrage der dpa reagierte der Grünen-Politiker zunächst nicht.
Grüne: Jede Form von Belästigung ist nicht zu dulden
Stahr und Ghirmai erklärten, es sei ohnehin vorgesehen gewesen, die jetzt angekündigte Möglichkeit zu schaffen, sich an eine Stelle außerhalb der Partei wenden zu können. Das werde zeitnah umgesetzt. «Natürlich werden wir auch mit Blick auf die aktuellen Ereignisse unsere Strukturen erneut überprüfen und weiter entwickeln», so die beiden Landesvorsitzenden. «Für uns ist ganz klar, dass wir jegliche Form der Diskriminierung, Belästigung oder gar Übergriffe nicht dulden.»
Bisher gibt es bereits parteiintern eine Ombudsstelle bei der Bundesgeschäftsstelle, die sich auch mit den Vorwürfen gegen Gelbhaar beschäftigt. Sie ist unabhängig und nicht weisungsgebunden, das Verfahren ist vertraulich.
Gelbhaar hat seinen Wahlkreis in Pankow direkt gewonnen
Gelbhaar hatte seinen Bundestagswahlkreis in Pankow zuletzt direkt gewonnen. Seine Kandidatur für einen vorderen Platz auf der Landesliste der Grünen zog er Mitte Dezember kurzfristig zurück und begründete das mit Vorwürfen, die gegen ihn erhoben worden seien, damals ohne dabei konkreter zu werden.
Bei einer Wahlversammlung Mitte November war Gelbhaar mit 98,4 Prozent der Stimmen erneut zum Direktkandidaten für den Wahlkreis Berlin-Pankow gewählt worden.
In der Woche vor Heiligabend teilte der Kreisverband in Pankow allerdings mit, ein zweites Mal über die Direktkandidatur für die Bundestagswahl abstimmen lassen zu wollen. Der Vorstand habe den Beschluss gefasst, dafür eine erneute Wahlversammlung abzuhalten. Sie ist für den 8. Januar geplant.