Potsdam (dpa) – Die in den Irak abgeschobene jesidische Familie hat nach einer Gerichtsentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt keine Möglichkeit zur Rückkehr nach Deutschland. Das Potsdamer Verwaltungsgericht wies die Klage der Familie aus Brandenburg gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unbegründet ab. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sieht auf dieser Grundlage keine Möglichkeit für die Familie zur Rückkehr: «Das Gericht hat unseren ablehnenden Bescheid bestätigt», sagte ein Bamf-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Das Verwaltungsgericht sah nach eigenen Angaben weder eine beachtliche individuelle Bedrohung wie Verfolgung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) noch hinreichende Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung von Jesiden als gegeben an.
Anwältin sieht Teilerfolg
Die Anwältin der Familie, Kareba Hagemann, verwies darauf, dass die Klage nur teilweise abgewiesen und das Asylbegehren von «offensichtlich unbegründet» in «unbegründet» geändert worden sei. Die Ausreisefrist liegt laut Gericht in diesem Fall bei 30 Tagen nach rechtskräftigem Bescheid.
«Natürlich werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass die Jesiden hier Schutz bekommen», sagte die Anwältin der Deutschen Presse-Agentur. Sie seien im Irak bedroht. Hagemann will prüfen, ob sie in Berufung geht. Der Tenor des Urteils habe schon im April festgestanden, sagte sie.
Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit. Der Bundestag hatte 2023 Verbrechen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Jahr 2014 an den Jesidinnen und Jesiden als Völkermord anerkannt. Die Anwälte der Familie können laut Gericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils in Berufung gehen.
Ministerium sieht derzeit keine Möglichkeit zur Rückholung
Die Familie mit vier minderjährigen Kindern, die seit mehreren Jahren in Lychen nördlich von Berlin gewohnt hatte, war am Dienstag vergangener Woche abgeschoben worden. Wegen eines Eilantrags hob das Verwaltungsgericht Potsdam die Ausreisepflicht zwar am selben Tag auf – die Entscheidung fiel aber, als die Familie bereits im Flugzeug saß. Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) hatte daraufhin am Freitag erklärt, er wolle die Familie in Abstimmung mit dem Bund zügig zurückholen, falls die gerichtliche Entscheidung Bestand habe.
Das Brandenburger Innenministerium sieht zum aktuellen Zeitpunkt ebenfalls keine Möglichkeit, die Familie zurückzuholen. Eine Ministeriumssprecherin verwies zugleich darauf, dass die Anwälte der Familie in der vergangenen Woche beim Verwaltungsgericht Potsdam einen Eilantrag stellten, um die Familie nach Deutschland zurückzuholen. «Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, sodass hierzu derzeit keine näheren Angaben gemacht werden können», sagte die Sprecherin.
Gerichtsverfahren zum Asylantrag seit zwei Jahren
Die Familie hatte im Jahr 2023 gegen die Ablehnung ihres Antrags auf internationalen Schutz und gegen die Abschiebeandrohung geklagt. Das Bamf lehnte den Asylantrag der Familie damals ab. Mit einem Eilantrag wollte die Familie die aufschiebende Wirkung der Klage erreichen, das wies das Verwaltungsgericht 2023 ab. Damit war die Familie ausreisepflichtig. Im April dieses Jahres verhandelte das Gericht mündlich über die Klage auf Zuerkennung eines Schutzes. Über das zugehörige Urteil ist nun entschieden worden.
Das Verwaltungsgericht hob damit einen Bescheid des Bamf vom März 2023 insoweit auf, als darin die Forderung nach einer Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes und des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war, wie Gerichtssprecher Ruben Langer sagte. Damit wurde die Einstufung von «offensichtlich unbegründet» in «unbegründet» geändert.
Die Brandenburger Linke sieht Chancen in einer Berufung. Landeschef Sebastian Walter kritisierte: «Zumindest hätte die Pflicht bestanden, die Familie nach der Gerichtsentscheidung zur Aussetzung der Abschiebung mit dem Flugzeug unmittelbar wieder mit nach Deutschland zurückzubringen.»