Die Berliner SPD-Vorsitzenden Martin Hikel (m) und Nicola Böcker-Giannini (r) hatten Steffen Krach als SPD-Spitzenkandidat für die Berlin-Wahl 2026 vorgeschlagen. (Archivbild)
Die Berliner SPD-Vorsitzenden Martin Hikel (m) und Nicola Böcker-Giannini (r) hatten Steffen Krach als SPD-Spitzenkandidat für die Berlin-Wahl 2026 vorgeschlagen. (Archivbild) Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin (dpa/bb) – Zehn Monate vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2026 ist die Hauptstadt-SPD in eine schwere Krise gerutscht. Die Vorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel kündigten überraschend ihren Rückritt an. Das Duo, das erst seit 2024 an der SPD-Spitze amtierte, zieht damit Konsequenzen aus mangelndem Rückhalt in der Partei, die in Berlin derzeit als Juniorpartner der CDU mitregiert. 

Der geschäftsführende Landesvorstand der SPD schlug den Spitzenkandidaten für die Berlin-Wahl 2026, Steffen Krach, der im Moment noch Regionspräsident der Region Hannover ist, einstimmig als neuen Parteichef vor. Er soll demnach bei einem Parteitag im März, auf dem die Berliner SPD eigentlich nur ihr Wahlprogramm beschließen wollte, gewählt werden.


Von der Basis abgestraft 

Böcker-Giannini hatte am Samstag in ihrem Kreisverband Reinickendorf keinen Listenplatz für die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2026 bekommen. Bei einer Wahlversammlung unterlag sie bei der Abstimmung um Platz drei der Bezirksliste klar einer Gegenkandidatin. 

Hikel, der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist, war vor zwei Wochen bei einer Wahlversammlung der dortigen SPD mit lediglich 68,5 Prozent erneut für den Posten nominiert worden. Er hatte daraufhin überraschend angekündigt, dass er bei der Wahl 2026 nicht mehr für das Amt kandidiert. Das Ergebnis gebe ihm zu wenig Rückenwind für den Wahlgang, argumentierte er.

Führungsduo beklagt «Blockaden» 

In einer Mail an die rund 18.000 Parteimitglieder schreiben Böcker-Giannini und Hikel nun, dass sie einen Wandel eingeleitet, eine Parteireform auf den Weg gebracht und Brücken gebaut hätten zwischen Parteiflügeln, zwischen Basis und Funktionsträgern. «Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass unser Vorhaben eines Wandels auf immer stärker werdende Blockaden gestoßen ist.» 

Dies sei in zwei «schwerwiegende Entscheidungen» bei der Wahl-Aufstellung auf Kreisebene gemündet. «Beide Vorgänge zeigen, dass wir innerhalb der Gremien der Partei den versprochenen Wandel, und damit den Auftrag der Mitglieder, nicht mehr glaubhaft umsetzen können, da dieser Kurs, den die Mitglieder wünschen, nicht von der Funktionärsebene mitgetragen wird.»

Sie hätten sich daher entschlossen, mit Wirkung zum 30. November vom Landesvorsitz in einem geordneten Verfahren zurückzutreten, schreiben beide. «Unsere stellvertretenden Landesvorsitzenden werden in diesem Fall dafür sorgen, dass der Landesverband (…) weiterhin stabil geführt wird.» 

Hinter den Kulissen bemühen sich bei der SPD nun diverse Beteiligte um Krisenbewältigung. Für Montag berief die SPD eine Pressekonferenz in ihrer Landeszentrale ein, bei der sich Böcker-Giannini und Hikel erklären wollen. 

Krach als Hoffnungsträger

Der designierte neue Parteichef Krach gilt in der Berliner SPD als Hoffnungsträger: Er war erst vor einer Woche auf einem Parteitag mit 100 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Berlin-Wahl am 20. September 2026 und Herausforderer von Regierungschef Kai Wegner (CDU) gekürt worden. Er hat eine Menge Arbeit vor sich. Seine Partei steht plötzlich ohne Führung da und ist offensichtlich zerstritten. Und: In jüngsten Wahlumfragen rangierte die Berliner SPD mit 13 bis 16 Prozent deutlich hinter CDU und Linken, teils auch hinter den Grünen und der AfD. 

Parteibasis wollte Böcker-Giannini und Hikel

Böcker-Giannini und Hikel, die in der SPD eher der Mitte zuzuordnen sind, hatten sich als Parteivorsitzende im Vorjahr bei einem Basisvotum gegen zwei weitere Bewerberduos durchgesetzt. Ihre Amtszeit läuft eigentlich bis Juni 2026. Im Zusammenspiel mit der Fraktion um den mächtigen Fraktionschef und Ex-Parteivorsitzenden Raed Saleh konnten sie nicht immer die gewünschten Akzente setzen. Im eher von Parteilinken dominierten SPD-Landesvorstand hatten sie keine Mehrheit. 

Auch Giffey abgestraft

Dass die Berliner SPD eher rustikal mit ihren Spitzenleuten umgeht, ist keine Seltenheit. Zu den jüngsten Beispielen gehört auch die frühere Regierende Bürgermeisterin (2021-2023) und heutige Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey. Ihr gelang es nicht, einen aussichtsreichen Platz auf der Bezirksliste der SPD-Neukölln für die Wahl 2026 zu ergattern. Sie muss nun ihren Wahlkreis direkt gewinnen, um im Abgeordnetenhaus zu bleiben. 

Giffeys Vorgänger als Regierender Bürgermeister, Michael Müller, wiederum war 2021 in den Bundestag eingezogen. Bei der SPD-Listenaufstellung für die Bundestagswahl im Februar 2025 wurde er indes ausgebootet und schied aus dem Parlament aus.