Die Bürgerinitiative „Schule in Not“ setzt sich dafür ein, dass die Schulreinigung wieder Sache der Bezirke wird. Kürzlich legte sie einen Zeitplan vor. Die Reaktionen sind gemischt.
Nachlässig geputzte Toiletten und klebrige Fußböden: Die Klagen über Hygienemängel an Berliner Schulen reißen nicht ab. Um dagegen vorzugehen, gründete sich 2019 die Bürgerinitiative (BI) „Schule in Not“. Die Kernforderung: Anstelle privater Firmen sollen die Bezirke die Schulreinigung organisieren, Reinigungskräfte folglich wieder beim Bezirk angestellt sein. Nun hat das Bündnis einen Zeitplan vorgelegt. Demnach sollen bis zum Beginn des Schuljahres 2021/2022 zehn Prozent der Schulreinigung in Eigenregie von Schulen und Bezirken erfolgen. Dieser Anteil soll bis zum Sommer 2022 auf 25 Prozent und dann jährlich in festzulegenden Schritten weiter steigen, bis 100 Prozent erreicht sind.
Corona hat Zustände verschärft
„Corona hat die ohnehin untragbaren Zustände verschärft“, sagt Anne Zetsche von der BI. „Verbesserungen können nur erreicht werden, indem das Reinigungspersonal wieder bei den Bezirken angestellt wird.“ In diesem Schuljahr müssten die Bezirke, deren Parlamente einen entsprechenden Einwohnerantrag beschlossen haben, mit Pilotprojekten die Weichen dafür stellen, so die Mutter eines schulpflichtigen Kindes aus Wilmersdorf. Seit Gründung der BI haben 25.000 Berliner für die Rekommunalisierung der Schulreinigung unterschrieben.
Rückenwind spürt die BI aber auch durch die Beschlusslage in einigen Bezirksverordnetenversammlungen. In Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln und Steglitz-Zehlendorf fanden entsprechende Anträge eine Mehrheit. In Lichtenberg votierten die Fachausschüsse der Bezirksverordnetenversammlung für eine Übernahme der Reinigungsleistung durch die öffentliche Hand. Ursprünglich bestand das Bündnis aus Lehrern, Eltern und Hausmeistern. Mittlerweile stellen sich auch die Gewerkschaften GEW, IG BAU und ver.di hinter die Forderungen. Gewerkschaftsvertreter malen ein düsteres Bild von den Reinigungs- und Hygienestandards der öffentlichen Schulen in der Hauptstadt.
Sanitäre Ausstattung ist ein Problem
„Berlin hat 800 Schulgebäude, aber niemand weiß, wie viele Reinigungskräfte es gibt“, sagt Doreen Siebernik von der GEW. Auch die sanitäre Ausstattung sei häufig ein Problem. Als Beispiel nennt Siebernik eine Grundschule in Neukölln, die bei 400 Schulkindern nur über acht Waschbecken verfüge. Vom Land Berlin forderte sie eine Soforthilfe über eine Milliarde Euro. Im Doppelhaushalt 2020/2021 hat das Land 16 Millionen Euro zusätzlich für die Schulreinigung eingestellt. Laut einem „Tagesspiegel“-Bericht werden die Gelder überwiegend für zusätzliche Reinigungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie ausgegeben.
Siebernik und andere Gewerkschaftsfunktionäre bezeichnen die Privatisierung der Schulreinigung während der vergangenen zehn bis 15 Jahre als Wurzel allen Übels. Private Anbieter würden immer wieder die Arbeitszeit der Beschäftigten reduzieren und die zu reinigende Fläche pro Mitarbeiter erhöhen. Eine wirkliche Schulreinigung sei so unmöglich. „So etwas dürfen die öffentlichen Auftraggeber nicht akzeptieren“, so Jens Korsten von der IG Bau Berlin-Brandenburg. Der Reinigungsservice dürfe nur mit Vollzeitstellen geplant werden. Deren Anteil liege derzeit bei 20 Prozent.
Kein Geld im Haushalt
Unterstützung bekommt „Schule in Not“ von den bildungspolitischen Sprecherinnen der Senatsfraktionen von SPD, Grünen und Linken. Aus den Bezirken kommen gemischte Reaktionen. „Der Bezirk Spandau steht der Forderung nach einer Rekommunalisierung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber“, so eine Sprecherin der Verwaltung. „Allerdings sollte es dafür eine bezirksübergreifende Einigung im Land Berlin geben, die sich in der Form jedoch bisher nicht abgezeichnet hat.“
Zudem sei der Zeitplan problematisch: Die derzeit an den Schulen tätigen Reinigungsfirmen seien bis Sommer 2021 vertraglich gebunden. Im aktuellen Doppelhaushalt für die Jahre 2020/2021 seien keine Vorkehrungen finanzieller oder stellenrechtlicher Art für eigenes Reinigungspersonal getroffen worden. „Daher ist eine Rekommunalisierung der Schulreinigung zum Schuljahr 2021/22 nicht möglich“, so die Sprecherin.
Flexibilität zählt
Reinickendorfs Schulstadtrat Tobias Dollase (parteilos/für CDU) lehnt eine Rekommunalisierung ab. Dollase: „Im Mai haben die Bezirke ein dickes Lob durch Schulstaatssekretärin Beate Stoffers (SPD) bekommen, da sich die Leistungen der Reinigungsfirmen deutlich verbessert haben.“ Der Vorteil des Outsourcings der Reinigung liege darin, dass bei „Schlechtleistung“ die vertraglich zugesagten Leistungen eingefordert werden könnten. Im Falle von Krankheit oder Urlaub stellten die Firmen Ersatzpersonal. „Das war vor 30 Jahren anders, als die Reinigungskräfte direkt beim Bezirk angestellt waren.“ Ähnlich äußert sich die Interessenvertretung der Berliner Schulleiter.
Wegen jener Personal-Problematik sei damals die Entscheidung für das Outsourcing gefallen, so Dollase: „Diese Flexibilität würde uns wieder verloren gehen, wenn wir die Schulreinigung rekommunalisieren.“ Ein solcher Schritt sei am Ende eine politische Entscheidung.
Datum: 17. September 2020, Text: Nils Michaelis, Bild: iStock / Getty Images Plus / AndreaObzerova