Das Bundesarbeitsgericht urteilte zugunsten einer muslimischen Lehrerin.
Seit seiner Einführung vor gut 15 Jahren ist das Berliner Neutralitätsgesetz umstritten. In öffentlichen Debatten geht es beispielsweise immer wieder um die Frage, ob religiöse Symbole etwas im Klassenzimmer verloren haben. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sorgt für neuen Zündstoff.
Richter erkennen Diskriminierung
Vergangene Woche urteilte das BAG, dass das Land Berlin einer muslimischen Bewerberin für eine Lehrerinnenstelle nicht pauschal das Tragen eines Kopftuches verbieten darf. Das im Berliner Neutralitätsgesetz enthaltene ausnahmslose Verbot des Tragens religiöser oder anderer weltanschaulicher Symbole im Schulunterricht stelle eine nicht hinzunehmende Diskriminierung wegen der Religion dar.
Die Erfurter Richter bestätigten damit das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg, welches der Diplom-Informatikerin eine Diskriminierungsentschädigung zugesprochen hatte. Das Land Berlin war gegen dieses Urteil in Revision gegangen, die nun in Erfurt abgewiesen wurde. Die Senatsbildungsverwaltung kündigte an, bis vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Zunächst warte man die schriftliche Begründung des Urteils ab.
Lehrerin erhält Absage
Die Klägerin hatte sich als Lehrerin an einer normalen Schule beworben. Kurz nach dem Bewerbungsgespräch wurde sie darauf hingewiesen, dass sie nach den Berliner Regelungen im Schulunterricht aus Neutralitätsgründen kein islamisches Kopftuch tragen dürfe. Eine Ausnahme gelte nur für den Religionsunterricht und für berufliche Schulen.
Nachdem die Frau erwiderte, ihr islamisches Kopftuch aber nicht ablegen zu wollen, erhielt sie eine Absage. Gerichtlich machte sie eine Entschädigung geltend. Sie sei mit dem pauschalen Kopftuchverbot wegen ihrer Religion diskriminiert worden, argumentierte sie. Tatsächlich soll das Neutralitätsgesetz Ausgrenzung ausdrücklich verhindern. „Keine Beschäftigte und kein Beschäftigter darf wegen ihres oder seines Glaubens oder ihres oder seines weltanschaulichen Bekenntnisses diskriminiert werden“, heißt es in der Präambel.
Schulleitungen sind entsetzt
Die Entscheidung des BAG sorgte für Missstimmung. „Wir sind entsetzt über dieses Urteil, das Neutralitätsgesetz ist für uns unabdingbar“, sagte die Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen (IBS) Astrid-Sabine Busse der „Berliner Zeitung“. „Staatliche Schule muss neutral sein. Weder religiöse Symbole noch Parteiabzeichen haben da irgendwas zu suchen.“
Die Richter führten aus, das Gesetz sei nicht grundsätzlich verfassungswidrig, müsse aber so ausgelegt werden, dass an jeder Schule oder in jedem Kiez einzeln nachgewiesen werden muss, dass ein religiöses Symbol den Schulfrieden stören würde. Ein pauschales, präventives Verbot hielten sie für nicht zulässig. Astrid-Sabine Busse forderte eine klare politische Regelung, anstatt das Problem auf die Schulen abzuwälzen Bildungsstaatssekretärin Beate Stoffers (SPD) schließt eine Novellierung des Neutralitätsgesetzes bislang aus.
Datum: 3. September 2020, Text: Margarethe Gallersdörfer/nm, Bild: imago images/epd