Seit Mitte März lag Berlins Kulturleben in einem pandemiebedingten Tiefschlaf. Nach Galerien, Museen und Lichtspielhäusern dürfen jetzt auch Theater, Konzerthäuser und Kleinkunstbühnen den Spielbetrieb wieder aufnehmen. 

 

Von Kabarett bis KlassikTitel Berlins berühmtes Kulturleben nimmt langsam wieder Fahrt aufSo bequem hat der geneigte Besucher noch nie im Berliner Ensemble gesesssen: Die Reihen haben sich gelichtet, es gibt Pärchensitze wie im Kino, Logen für Familien und jede Menge Solosessel. Wo sich vor Corona bis zu 700 Theaterinteressierte drängten, werden es ab dem 4. September 200 Zuschauer pro Vorstellung sein. Die überdies noch andere Schutz- und Hygienemaßnahmen über sich ergehen lassen müssen. Die Spielzeit wird mit der Uraufführung „Gott ist nicht schüchtern“ von Olga Grjasnowa am 4. September im Großen Haus eröffnet, Regie führt Laura Linnenbaum. Grjasnowa wirft mit ihrem Text einen Blick auf den Beginn der Proteste in Syrien 2011. Ihr eindrücklicher gleichnamiger Roman, den sie selbst für die Bühne bearbeitet hat, erzählt davon, wie schnell Menschen aus ihren privilegierten Verhältnissen gerissen werden können, so dass sie irgendwann keine andere Wahl mehr haben, als alles aufzugeben, was ihr bisheriges Leben ausmacht.
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Leere Säle

Das Stück könnte auch als Kommentar zur Corona-Krise durchgehen, unter der Kunst- und Kulturschaffende besonders zu leiden hatten und haben. Es war ja auch kaum zu verstehen, dass sich Menschen dicht gedrängt in Urlaubsflieger zwängen durften, Konzert- oder Theatersäle aber leer bleiben mussten. Dabei erreicht die Kultur- und Kreativwirtschaft nach der Automobilindustrie die höchste Bruttowertschöpfung in Deutschland. Im Jahr 2018 erwirtschaftete die Kulturbranche mit knapp 260.000 Unternehmen und 1,7 Millionen Mitarbeitern fast 170 Milliarden Euro und liegt damit noch vor chemischer Industrie und den Energieversorgern. Dass jetzt das kulturelle Leben in der Stadt so langsam wieder Fahrt aufnimmt, ist ein Hoffnungsschimmer für alle Künstler.

Weniger Plätze

Nach Galerien und Museen durften sich erst die Kinos und nun auch Theater und Konzerthäuser wieder dem Publikum öffnen. Und nicht nur die großen, staatlich subventionierten Häuser sollen wieder ins Spielen kommen, sondern auch die vielen kleineren Bühnen, deren coronabedingtes Aus vor allem die Vertreter der sogenannten Kleinkunst wie Chansonniers, Comedians, Musiker oder Artisten zu spüren bekommen haben. Sie alle – und natürlich ihr Publikum – dürfen sich über die Wiedereröffnung solcher Institutionen wie zum Beispiel die Bar jeder Vernunft oder das Tipi am Kanzleramt freuen: So steht im Kulturzelt im Tiergarten am 4., 5. und 7. September mit der Wahl-Leipzigerin Lisa Eckhart eine der erfolgreichsten wie derzeit umstrittensten Kabarettistinnen auf der Bühne.

Tipi am Kanzleramt

Bar jeder Vernunft

Vor höchstens 302 statt 1.035 Zuschauern spielt noch bis 30. August die Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater das Erfolgsstück „Komplexe Väter“ mit Jochen Busse und Hugo Egon Balder in den titelgebenden Hauptrollen. Die erste Premiere der aktuellen Spielzeit feiert Gayle Tufts mit ihrem Programm „Wieder da!“ am 16. September.

Berliner Komödie

Und noch eine Berliner Institution geht demnächst wieder an den Start: Ab 23. September zeigt der Wintergarten in der Potsdamer Straße mit „Golden Years“ seine neue „20er Jahre Varieté Revue“. Nach dem fulminanten Erfolg von „20 20“ befasst sich diese nagelneue, opulente Showproduktion erneut mit den Golden Twenties des vergangenen Jahrhunderts und zeigt gleichzeitig die volle Power der hohen aktuellen Artistik- und Unterhaltungskunst.
Wintergarten Berlin

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Datum: 20. August 2020, Text: Manfred Wolf, Bild: Moritz Haase